Litauisches AKW: Vilnius will Ignalina behalten
Vor dem EU-Beitritt hatte Litauen versprochen, sein AKW Ignalina abzuschalten. Jetzt will das Land davon nichts mehr wissen - doch die EU will hart bleiben.
STOCKHOLM taz Das 30 Jahre alte Atomkraftwerk war der Knackpunkt, als vor sieben Jahren die EU-Beitrittsverhandlungen mit Litauen begannen. Brüssel hatte von Anfang an klargemacht, dass die Zusage zur Abschaltung des Atomkraftwerks eine Bedingung für den Beitritt sei. Der wurde Vilnius auch mit großzügigen EU-Beihilfen versüßt. Doch je näher das Abschaltdatum 2009 für den 1.360-Megawatt-Reaktor rückt, desto intensiver versucht die litauische Regierung, von der eingegangenen Verpflichtung abzurücken.
Die EU würde die Wirtschaft des Landes ruinieren, wollte sie es an die Zusage binden, erklärte Staatspräsident Valdas Adamkus mehrfach. Es sei unverantwortlich, den zweiten Reaktor - Reaktor 1 war planmäßig 2005 vom Netz gegangen - zu schließen, solange keine Ersatzkapazitäten aufgebaut seien. Heute deckt das AKW noch immer knapp 40 Prozent des Strombedarfs des kleinen Landes. Die EU-Kommission solle Ignalina noch ein paar Jahre laufen lassen, fordern die Litauer: Adamkus brachte das Jahr 2012 ins Gespräch, andere Politiker nannten 2015. Bis dahin, so die Hoffnung, könnte ein Nachfolge-AKW betriebsbereit sein.
Darüber wird zwar schon lange verhandelt, eine Bauentscheidung wurde aber immer wieder vertagt. Litauen könnte durch die Abschaltung von Ignalina also mit einer Stromlücke konfrontiert werden. Allerdings war das bei dem Zeitplan, den die EU dem Land eingeräumt hatte, auch berücksichtigt worden: Für den Aufbau einer Ersatzstromproduktion waren 900 Millionen Euro bereitgestellt worden.
Doch damit ließ sich Litauen bislang Zeit. Abgesehen von dem Projekt eines neuen AKW liegen Pläne für Stromleitungen nach Schweden und Polen immer noch in der Schublade. EU-Energiekommissar Andris Piebalgs zeigt deshalb auch kein Verständnis für den Vorstoß Litauens: "2009 kommt ja wohl alles andere als überraschend." Etwas diplomatischer, aber nicht weniger eindeutig war zuletzt Kommissionspräsident José Manuel Barroso: "Das Stilllegungsdatum kann nur geändert werden, wenn dem jedes einzelne EU-Land zustimmt. Das halte ich für unmöglich."
Bis zu 600 Millionen Euro jährlich würde es die Wirtschaft kosten, wenn Litauen auf den billigen Strom verzichten müsste, argumentiert man in Vilnius. Die Abhängigkeit von russischer Energie würde zunehmen. Außerdem sei beim Sicherheitssystem von Ignalina kräftig nachgebessert worden.
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