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■ Linsen SouffléSex & Romantik – Aktuelle Themen gegen alte Hüte

Deutsche Kinobesitzer weinen! Scheiß Wetter (viel zu schön), scheiß Fußball-Weltmeisterschaft (viel zu spannend). Kein Mensch will zur Zeit Geld dafür bezahlen, um sich zwei Stunden lang in einen dunklen Raum vor eine Leinwand zu setzen. Daß es immer schwieriger wird, die Leute ins Kino zu locken, haben sie in Hollywood längst kapiert. Größer, lauter, bunter heißt die Strategie, um ans Eintrittsgeld zu kommen, und auch: aktueller. So hat der ganze Trubel um den Football-Schauspieler O.J. Simpson, der seiner Frau samt ihrem Lover die Kehlen aufgeschlitzt haben soll, noch nicht einmal richtig angefangen, da ist schon das erste Buch zum Fall draußen. Über die Filmrechte wurde selbstverständlich schon vor Erscheinen verhandelt. Ein anderes Sommerthema 94 sind lesbische Mütter und schwule Väter. Keine Zeitung oder Zeitschrift, die sich nicht fragt, ob Lesbe Mama sein darf, und wenn ja, wo kommt das Sperma her und wie in die zukünftige Mutter? Das sind Fragen, mit denen sich Zeitungen verkaufen lassen – und natürlich auch Filme. Alle großen Studios sind mit hechelnden Zungen hinter dem Thema her. United Artists hat gerade die erste Runde gewonnen. Noch bevor Warner, New Regency und Toustone überhaupt bieten konnten, sicherte sich UA die Rechte an dem Drehbuch „Next Best Thing“ von Tom Ropelewski für eine sechsstellige Summe. Natürlich nähern sie sich ganz, ganz vorsichtig dem Thema, Schwule und Lesben lassen sich nämlich (noch nicht) so gut verkaufen. Das Ding ist also ein Weichspüler, wird aber als Tragikomödie angekündigt. Es geht um einen schwulen Mann, der unbedingt und subito ein Baby mit seiner besten – heterosexuellen – Freundin haben will. Als der kleine Scheißer endlich da ist, verliebt sich die Frau und der Kampf ums Sorgerecht beginnt. Der vorbelastete Ropelewski („Kuck' mal, wer da jetzt spricht“) wird auch Regie führen. Ein anderes, immer noch aktuelles Thema ist Sex am Arbeitsplatz. Nach Barry Levinsons „Enthüllung“ (demnächst auch in unseren Lichtspielhäusern), nimmt sich nun auch David Mamet dieses verkaufsträchtige Thema vor. Bei der Leinwandadaption seines Stücks „Oleanna“, ein heftig diskutierter Bühnenhit, über eine Collegestudentin, die ihren Professor sexueller Anmache bezichtigt, übernimmt Mamet die Regie. Bei soviel Sex braucht man aber auch ein bißchen Romantik. Und die findet man nicht in aktuellen Zeitungsschlagzeilen sondern in alten Filmen. Also werden Remakes gemacht. Am jüngsten Verbrechen auf diesem Gebiet ist der gute Harrison Ford heftig beteiligt. In dem Remake des Billy-Wilder- Klassikers „Sabrina“ von 1954 wird Ford die Humphrey Bogart- Rolle übernehmen – sofern er sich mit Paramount über eine Gage einigen kann. Regie steht noch nicht fest, offen sind auch die Rollen von Audrey Hepburn und William Holden. In der Titelrolle würde man am liebsten Julia Roberts sehen, aber die ist wahrscheinlich mit anderen Popcornfilmen ausgelastet. Als Alternative sucht man jetzt nach einer noch unbekannten britischen Darstellerin. Gut so, etwas Besseres als die Roberts werden sie allemal finden. Karl Wegmann

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