■ Linsen Soufflé: Die Neuinszenierung von Nase und Buckel
Bei Francis Ford Coppola ist man vor Überraschungen nie sicher. Meist sind sie recht angenehm. Auch jetzt, zweieinhalb Jahre nach seinem famosen „Dracula“ arbeitet der exzentrische Meisterregisseur an einem Projekt, daß wieder einen äußerst amüsanten Kinobesuch verspricht: Coppola bastelt an einer Neufassung von „Pinocchio“. Dabei hatte man ihm doch viel größere, spektakulärere Projekte angeboten. Doch weder der Aidsfilm „The Cure“ noch eine enge Zusammenarbeit mit Norman Mailer reizte Coppola, der zuletzt über die Produktion von Kenneth Branaghs „Mary Shelley's Frankenstein“ wachte. Nein, Mr. Coppola wollte unbedingt ein Remake des Kinderklassikers machen, weil die Geschichte nie richtig erzählt worden ist. Im Gegensatz zum Disney-Zeichentrickfilm will sich Coppola eng an die Vorlage von Carlo Collodi halten. „Wenn der Roman bereits damals orginalgetreu verfilmt worden wäre“, sagt Coppola, „hätte ich mich nie zu einer Neufassung durchgerungen.“ Aber der Wal des Disneyfilms war in Wirklichkeit ein Hai, und Pinocchios Kumpel Jiminy ist in Collodis Roman der Geist einer Grille, die Pinocchio getötet hat. Die Titelfigur soll von einer echten Puppe dargestellt werden, die der Regisseur mit den modernsten technischen Möglichkeiten animieren will. Mindestens so gut wie Stephen Spielbergs Dinos soll sie schon werden. Auf jeden Fall aber wird der neue „Pinocchio“ ein Musical. Coppola selbst hat bereits zwölf Songs verfaßt, die im Film auftauchen sollen. Und er verspricht, daß das Budget die 50-Millionen-Dollar- Marke auf keinen Fall überschreiten soll. Das glaubt ihm natürlich kein Mensch. Die Besetzung steht noch nicht fest, aber im Frühjahr 95 soll's losgehen.
Und noch ein zweiter Freak der Weltliteratur macht sich für seine Rückkehr bereit. Wer das ist? Die Antwort lautet: Was haben Lon Chaney, Charles Laughton, Anthony Quinn und Anthony Hopkins gemeinsam? Na? Genau! Sie stöhnten alle schon mal „Ach, warum bin ich nicht aus Stein wie du“, sie waren alle Quasimodo, Victor Hugos „Glöckner von Notre-Dame“. Bereits seit mehreren Jahren befindet sich ein Zeichentrick- Buckliger in der Entwicklung, der natürlich von Walt Disney Pictures betreut wird und der zur Weihnachtszeit 1995 in die Kinos kommen soll. Santa Claus als buckliger Pfaffenkiller – auch nicht schlecht. Spannender als der Kinderkram verspricht die Live- Action-Fassung des Glöckners zu werden, ebenfalls von Disney auf die Schiene gebracht. Der Buckel für Erwachsene soll ein ziemlich düsteres Lichtspiel werden und wird, wenn es denn klappt, ideal besetzt: Gerard Depardieu soll in unerwiderter Liebe zu der schönen Zigeunerin Esmeralda ... (Tschuldigung, mea maxima culpa, aber ich hab' leider keinen blassen Schimmer, ob die Frau nun eine Sinti, eine Roma oder eine Inuit war. Entsprechende Aufklärung erhoffen wir uns von der aufgeklärten und politisch korrekten Leserschaft. Antworten bitte an die taz-Geschäftsführung. Danke!) Wo waren wir? ach ja, Liebe, entflammen, verbrennen und vergehen. Na ja, it's better to burn out than ... okay, okay, lassen wir Young und Cobain aus dem Spiel. Karl Wegmann
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