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Linkspartei-Chef in BaWü über Koalitionen"Nach der Wahl ist viel möglich"

Linkspartei-Chef Bernd Riexinger hält Rot-Rot-Grün für machbar. Bei einer großen Koalition würden "ganze SPD-Ortsvereine" zur Linkspartei übertreten.

Immer vorn: Linke-Chef Riexinger (mit Megafon) in Stuttgart bei einem Streik im öffentlichen Dienst. Bild: dpa
Stefan Reinecke
Interview von Stefan Reinecke

taz: Herr Riexinger, wenn die Linkspartei in Stuttgart ins Parlament kommt, wird es nichts mit dem grün-roten Regierungswechsel. Warum soll man Linkspartei wählen?

Bernd Riexinger: Nein, umgekehrt. Rot-Grün hat keine eindeutige Mehrheit gegenüber Schwarz-Gelb. Das hiesige Wahlrecht bevorteilt die CDU. Der Wechsel klappt nur sicher, wenn wir reinkommen.

Und dann? Der SPD Spitzenkandidat Nils Schmid sagt, dass er "nicht mit der Linkspartei regieren will".

Ach, das ist Wahlkampf. Die SPD hat, anders als damals in Hessen, nichts ausgeschlossen. Der Grüne Winfried Kretschmann sagt zwar, ohne Linkspartei wäre es ihm lieber. Aber nach der Wahl ist viel möglich.

Glauben Sie wirklich, dass ausgerechnet im reichen Baden-Württemberg, mit einer rechten SPD und bürgerlichen Grünen geht, was sonst gescheitert ist?

Wir wollen uns nicht mit aller Gewalt als Regierungspartei andienen. Aber wenn man die Programme von SPD und Grünen ernst nimmt, dann gibt es schon viele Schnittstellen zu uns. Etwa bei der Abschaffung des dreigliedrigen Schulsystems, bei mehr Gemeinschaftsschulen, kostenlose Kitas.

Die SPD wird eher mit der CDU koalieren als ein grün-rot-rotes Abenteuer zu riskieren.

Es gibt in der SPD-Landtagsfraktion welche, die lieber mit der CDU wollen. Aber das würde die SPD zerreißen. Die war schon mal Juniorpartner der CDU, das ist ihr nicht gut bekommen. Es gibt in Baden-Württemberg eine Wechselstimmung gegen Mappus. Wenn die SPD das mit einer großen Koalition konterkariert, wird sie das spalten. Dann werden ganze SPD-Ortsvereine zu uns übertreten.

In Hamburg hat fast jeder fünfte Arbeitslose Linkspartei gewählt. In Baden-Württemberg gibt es nur 4,5 Prozent Arbeitslose. Kein Wunder, dass es der Linkspartei schwerfällt, in den Stuttgarter Landtag zu kommen …

Es wird knapp, das stimmt. Es gibt aber auch in Baden-Württemberg soziale Brennpunkte.

Trotzdem: Der Aufschwung ist da, der Export brummt. Und der Linkspartei fehlen die Angriffspunkte …

80 Prozent der neu geschaffenen Jobs sind Leiharbeitsplätze. Der Aufschwung hat einen gespaltenen Arbeitsmarkt hervorgebracht. Das Problem ist weniger die Arbeitslosigkeit als der Niedriglohnsektor.

Alles ist möglich

Die Wahl: Am kommenden Sonntag wird in Baden-Württemberg ein neuer Landtag gewählt. Seit 1953 stellt die CDU kontinuierlich den Ministerpräsidenten. Seit Februar 2010 ist es Stefan Mappus. Er übernahm das Amt von Günther Oettinger.

Die Umfragen: In einer aktuellen emnid-Umfrage führt die CDU mit 38 Prozent vor den Grünen mit 25 Prozent und der SPD mit 22 Prozent. Die FDP liegt bei 6 Prozent, die Linkspartei würde mit derzeit 4 Prozent den Einzug verpassen.

***************

Bernd Riexinger, 56, Chef der Linkspartei in Baden-Württemberg. Der Gewerkschaftsfunktionär war 2003 Mitinitiator der sozialen Bewegung gegen die Agenda 2010.

Aber die Arbeitslosen als Linkspartei-Wähler fehlen.

Wir haben hier in Baden-Württemberg zwei andere Vorteile. Wir sind sehr stark in den Gewerkschaften verankert, auch bei den Fach- und Industriearbeitern. Außerdem sind wir geschlossen. Es gelingt nicht, uns als linke Chaoten hinzustellen.

Solche Antikampagnen nutzen ja oft der Linkspartei.

Unsere Klientel ist sowieso mobilisiert. Wir haben hier, anders als in Hamburg, einen richtigen Lagerwahlkampf.

Wird Ihre Partei mitregieren?

Ich wage da keine Prognose. Aber wenn wir das Zünglein an der Waage sind, wird der Regierungswechsel nicht an uns scheitern, ob mit Tolerierung oder Regierungsbeteiligung. Voraussetzung ist ein tatsächlicher Politikwechsel. Sozialabbau, Tarifflucht, Privatisierung, Personalabbau im öffentlichen Dienst und der Bau von Stuttgart 21 sind mit uns nicht zu machen.

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19 Kommentare

 / 
  • JF
    Jutta Fan

    Nach der Wahl ist es vor allem möglich, Stuttgart 21 zuende zu bauen, wenn Jutta recht hat, die Grünen werden die Sache zuende bringen, weil schon zuviele Fakten geschaffen worden sind. Denn die GRÜNEN sind nur dazu da, uns gewisser zu vermeiern. Was wollen wir wetten: Rot grun gewinnt die Wahl ... egal wie Stzuttgartv 21 wird unterirdisch fertig gebaut, mit einigen kosmetischen Veränderungen, die als grundlegende Verbesserung verkauft werden.

  • K
    Kreuzberger

    GRÜN pur würde mir gefallen - realistisch ist eher GRÜN-ROT. Aber die sog. Linke braucht eine solare, solidarische Transformation der Gesellschaft eher nicht. Nichts gegen verdiente und von der Sozialdemokratie enttäuschte Gewerkschafter etc. Aber die können m.E. auch gut ihre Sicht der Dinge bei GRÜN-ROT artikulieren.

    Wofür brauchen wir eine zweite sozialdemokratische Partei?

    Diese Spaltung scheint mir eher im Interesse der Atom-, Pharma-, Bankenlobby, denn im Interesse einer linksdemokratischen Reformpolitik.

  • VA
    Vater aller Krähen

    @ Liga GG 1:

    Habe Angst vor Dir, träumst ja wohl vom Tyrannenmord.

    Erst wir Krähen, dann die grünen Tyrannen?

  • H
    Hans

    Die SPD will nicht Rot-Rot-Grün, weil sie dann nicht mehr eine Partei der bürgerlichen Mitte ist. Und wer sich in Hamburg umschaut, der entdeckt eine CDU-Politik, die sich vor allem Olaf Scholz nennt und in zweiter Linie SPD. In Baden Württenberg ist der Druck aber groß, gleichwohl würden Koalitionsverhandlungen über Rot-Rot-Grün aus Berlin von der SPD-Spitze sehr attakiert werden. Leider hat die SPD keinen Mut. Bei den Grünen wäre es eine Überlegung wert, um andere taktische Konstellationen zu erreichen. Beliebt ist dieses Modell dort aber nicht, obwohl Linke und Grüne weniger in Konkurrenz stehen, als Linke und SPD.

  • LG
    Liga GG 1

    Warum man die Grünen nicht wählen soll.

     

    Die Grünen soll man nicht wählen,…..

     

    weil die Menschen nicht unter einen grünen Diktatur leben wollen.

    weil es bessere Alternativen gibt.

    weil sie in Ihrem Machthunger unersättlich sind.

    weil man in unserer Gesellschaft die Grünen nicht kritisieren darf, ohne als Ketzer und Dummkopf zu gelten.

    weil sie ständig vorgeben, sie seien den anderen Menschen immer einen Schritt voraus.

    weil sie unsere Demokratie zu Tode reiten.

    weil die Grünen und deren Klientel nur aus gesicherter wirtschaftlichen Position heraus agieren.

    weil diese gesicherte Stellung von den Anderen bezahlt werden muss.

    weil Herr Trittin in der Bundestagsdebatte über S 21 für andere nur Häme und Spott übrig hatte.

    weil die Grünen unmittelbar nach der Katastrophe in Japan dieses Unglück politisch instrumentalisiert haben, um daraus politisches Kapital zu schlagen.

    weil sie jeden Tag eine neue Katastrophe in Kauf nähmen, um ihre Dogmen besser verkaufen zu können.

    weil sie mit der Angst der Menschen ein übles Geschäft betreiben.

    weil der Mensch in den Dogmen der Grünen zum Teil nur noch als Individuum ohne Würde vorkommt.

    weil der Tierschutz oft über den Menschenschutz gestellt wird.

    weil Krähen ganze Dörfer tyrannisieren.

    weil die Grünen den Menschen mit Macht glaubhaft machen wollen, es gäbe für den Menschen keine anderen Bedürfnisse mehr, als die verfehlte und unrealistische Umweltpolitik der Grünen.

    weil nach den Dogmen der Grünen nur die Grünen und ihre Klientel in der Lage sind, Umweltschutz zu betreiben.

    weil mit der verfehlten Umweltpolitik der Grünen bereits Milliarden € vertan worden sind.

    weil der Umweltschutz in Hände gehört, die auch mit Geld umgehen können.

    weil die Bürokratie von den Grünen ins Unermessliche gesteigert wurde.

    weil diese Bürokratie ein Hemmschuh für die Wirtschaft geworden ist.

    weil die Grünen stets als Heilsbringer auftreten.

    weil die Grünen das Zusammenleben unnötig kriminalisieren.

    weil die Grünen eine furchtauslösende Ersatzreligion geschaffen haben.

    weil der Bürger die Inquisition der Grünen nicht mehr ertragen kann.

    weil der Bürger nur wegen eines nicht ausgewaschen Joghurtbechers keine Todsünde mehr fürchten möchte.

    weil neuerdings das Waldsterben nicht mehr existiert. Es bringt keine Vorteile mehr für die Grünen.

    weil das Dosenpfand nicht als ein Jahrhundertereignis gesehen wird.

    weil die Grünen nicht mehr selbst demonstrieren. Sie lassen demonstrieren.

    weil die Grünen in der Energiepolitik Traumtänzer sind und teilweise die Rechnung ohne den Wirt machen.

     

    Usw., usw., usw..

  • J
    jan

    Und würde Kohl heute mit seinem CDU-Parteiprogramm aus den 80ern antreten, wäre er ein brandgefählicher Linksextremist.

  • W
    Waldküreff

    @ Kurt W. Fleming

    "Je stärker Die Linke, desto besser für die soziale Gerechtigkeit!"

     

    Die Praxis macht einmal wieder nicht, was die Theorie will:

     

    Baden-Württemberg hat mit Abstand die niedrigste Amutsquote mit ca. 10% (MP 25%) und eine Jugendarbeitslosigkeit von ca. 3% auch die niedrigste in D

     

    Und das ohne die Links-Partei - we kann das sein????

  • R
    Roland

    Das Baden-Württembergische Wahlrecht gibt durch den unzulänglichen Ausgleich von Überhangmandaten der CDU von vorneherein einen Bonus von 2-3%.

    Wenn DIE LINKE nicht reinkommt, kann Schwarz-Gelb mit 46% der Stimmen weiterregieren, auch wenn Rot-Grün auf 48% kommen sollte.

    Deshalb werden in meinem Bekanntenkreis einige eher Grün orientierte Menschen aus taktischen Gründen DIE LINKE wählen.

  • DN
    Dr. No

    Der Mann hat ein sehr vernünftiges Interview gegeben. Ich selbst bin Kleinunternehmer, habe ca 15 Jahre lang CDU gewählt - aber als Merkel 2005 mit der Kopfpauschale im Gesundheitswesen anfing (Sekretärin soll die gleichen Kassenbeiträge zahlen wie der Chef) hat es mir gelangt und ich habe die LINKE gewählt, aus Protest. Jetzt bin ich Stammwähler. Ich habe meine politischen Positionen nie groß geändert. Sie werden heute am besten durch die LINKE abgebildet - obwohl ich den Gewerkschaften immer noch misstrauisch gegenüber stehe. CDU/FDP/SPD/GRÜNE haben in den letzten 20 Jahre das Geld immer nur den Großverdienersn hinterher geworfen. Diejenigen, die den Wohlstand tatsächlich erarbeiten, werden verar...t. Die Kommentare, die LINKE wäre wohlstandsfeindlich kann ich nicht mehr hören. Sahra Wagenknecht zieht landauf landab und wirbt für die Steuersätze der Ära Kohl. Leute aus dem Ländle, lasst euch nicht für dumm verkaufen. Die LINKE ist viel seriöser als es die Grünen je waren. Und Mappus, Guttenberg, Brüderle - ein Betrüger größer als der andere.

  • S
    Stalin

    @jan:

    Genosse, ich freue mich, einen so aufrechten Kommunisten zu treffen.

    Lass uns gemeinsam den Menschen ihr falsches Klassenbewusstsein austreiben, wir wissen ja, was das richtige ist!

    Iosseb Bessarionis dse Dschughaschwili

  • J
    jan

    Im Prinzip stehen zwei Parteien zur Wahl, analog zu den Popularen und Optimaten im alten Rom: eine Oligarchenpartei für die oberen 3% (SPDCDUFDPGRÜNE) und die Partei aller Arbeitnehmer: die Linke.

     

    Würden die Leute nach ihren wahren Interessen abstimmen, müsste die Linke weit über 70% der Stimmen erhalten. Alles drunter ist erfolgreich eingewaschenes falsches Klassenbewusstsein.

  • H
    Hesperus

    @Unbequemer:

    Ganz Ihrer Meinung. Wen wohl Frau Kraft die Daumen drückt? Ohne prosperierendes BW noch mehr Schulden in NRW...

    Die Linke mag wohl für mancherlei stehen (dies auszuführen, brächte sicher den TAZ-Zensor ins Spiel), für Wohlstand allerdings? ... wäre neu

  • W
    Waldküre

    Linke Träume

     

    Baden-Württemberg hat eine konservative Wählerschaft - übrigens ein Grund, warum die Grünen in diesem Bundesland so stark sind. Für eine Koalition mit der Links-Partei würden die anderen beiden Parteien und vor allem die Grünen abgestraft werden. Die Grünen in BW werden sich nie und nimmer auf eine Koalition mit der Linkspartei einlassen.

  • U
    Unbequemer

    Hurra - endlich bekommt auch BaWü die Chance vom Finanzausgleich-Zahler zum Ausgleichs-Empfänger zu werden. Das finde ich super. Und endlich wird dann umgesetzt, gegen was man alles ist. Und ja - Reichtum für alle. Und Reichtum besteuern. Ja hurra ... Und die Grünen: Jetzt wird endlich der stählerne Besen herausgeholt und der konservative Müll weggefegt. Jetzt wird alles besser. Ich kündige auch schon und richte mich in Hartz 4 ein.... und schuldig ist das Großkapital...

  • M
    maxi

    Es scheint ja zur Zeit fast alles möglich aber rot-rot-grün in BW ist unmöglich. SPD und Grüne können dies niemals in der Basis durchsetzen, selbst wenn Sie es wollen würden. Zumal Grüne und SPD es alleine schaffen könnten.

  • T
    TutNichtsZurSache
  • MD
    Mellow Dramatic

    Die Wählerinnen und Wähler sind nicht blöd. Sie werden wissen, dass jede Stimme für die Linkspartei in BaWü eine Stimme für Mappus ist. Rotgrünrot ist eine nicht gangbare Idee und keine reelle Option.

     

    Und wenn die Politikverweigerer der Linkspartei ihr Ziel im Landtag erreichen würden, werden sie ihren eigentlichen politischen Gegner - die SPD - angreifen und schwächen. Diese Strategie verhindert möglicherweise die Abwahl von Mappus, ein schrecklicher Gedanke.

  • E
    Egal

    Alte Klisches...

    Warum immer das beharren auf Arbeitslose und soziale Brennpunkte als Klientel?

    Ihre besten Ergebnisse wird die Linke wieder im legendären Freiburger Vauban einfahren, was im TAZ-Sprech wahrscheinlich als besserverdienend bezeichnet würde. Es haben nämlich auch Leute aus der Mittelschicht gelernt, dass die Linke sie noch am besten vertritt. Die wollen nicht ihr Geld den Banken verschenken, wie das Grüne und SPD praktiziert haben. Die wollen auch nicht mit Waffen Frieden schaffen. Und die wollen AKWs sofort abschalten.

  • KW
    Kurt W. Fleming

    "Wenn die SPD das mit einer großen Koalition konterkariert, wird sie das spalten. Dann werden ganze SPD-Ortsvereine zu uns übertreten."

     

    Dann soll es so sein! Also SPD, zerleg dich, indem du ins CDU-Bett huschst. Euch braucht man eh nicht mehr, mindestens seit 1914.

     

    Je stärker Die Linke, desto besser für die soziale Gerechtigkeit!