■ Links aus der allgemeinen Krise: Kühne statt keine Ideen
Die Linke ist auf drei Gebieten gescheitert – auf dem Arbeitsmarkt, in Sachen Demokratie und Frieden – weil sie den Dogmen des Liberalismus nachgegeben hat, die die weltweite Umstrukturierung beherrschen. Die französischen Wähler haben die sozialistische Regierung deshalb sanktioniert. Aus diesem Grund gibt es, wenn wir die Linke wiederbeleben wollen, nur den Weg der Kühnheit: Wir müssen dem freien Spiel der Marktkräfte eine glaubhafte Alternative entgegensetzen, um die Arbeitslosigkeit dauerhaft einzudämmen. Wir müssen eine neue staatsbürgerliche Demokratie aufbauen, das Europa der Völker schaffen und neue Beziehungen zum Süden definieren. Eine Linke, die nicht Vorkämpferin ist für eine andere Wirtschaft und eine andere Politik, ist eine tote Linke. Die Linke wiederbeleben heißt: eine Alternative anbieten. Dazu brauchen wir neue Ideen. Es ist nicht unsere Aufgabe, die bittere Pille zu schlucken, damit diese besser akzeptiert wird.
Zuallererst müssen wir die Dynamik der republikanischen Idee wieder in Gang bringen. Konkret heißt das: Wir müssen daran glauben, daß wir den Teufelskreis von wirtschaftlicher Rezession und sozialen Rückschritten durchbrechen können, indem wir uns für Wiederaufschwung und Integration entscheiden. Zwischen dem monetaristischen Dogmatismus der Regierenden und der Krise in den banlieues gibt es eine Beziehung. Wir müssen beweisen, daß sie nicht unvermeidlich ist. Ein laizistischer Republikaner hat die Aufgabe, zu verstehen und zu handeln: Er akzeptiert weder eine Fatalität noch die unsichtbare Hand des Marktes. Natürlich müssen wir der Welt und den heutigen Kräfteverhältnissen größte Rechnung tragen. Doch unsere Frage heißt nicht: Was kann Europa, was kann Amerika für uns tun? Sie lautet vielmehr: Was können wir hier in Frankreich tun, um der Krise zu begegnen? Es gibt nur eine Antwort: Handeln wir bei uns, wo sich der Wille des Volkes ausdrücken und die Regierenden wählen kann. Um der Krise der Demokratie zu begegnen, müssen wir eine mutige Reflexion zur Reform der Institutionen beginnen. Um die vom Geld zerfressene Kultur zu verteidigen, müssen wir die Rolle der Medien und der Kommunikation neu durchdenken. Gegen die technische Entgleisung der europäischen Konstruktion müssen wir Vorschläge für ein konföderales Europa machen, für die Öffnung nach Osten, für eine Initiative zur Kooperation im Mittelmeerraum, für Beziehungen einer Mitentwicklung des Südens und eine Alternative vorschlagen zur Logik des Gatt.
Die Kräfteverhältnisse haben neue Formen angenommen. Aber es ist immer noch der Kampf der Großen gegen die Bescheidenen. Immer noch steht die liberale Nivellierung dem Schutz der menschlichen Person entgegen. Täuschen wir uns nicht: In diesem Kampf wird die Linke keine Unterstützung aus Brüssel erhalten, sondern aus dem Volk. Georges Sarre
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