Linke und Piraten wollen Kabarettist als Präsi: Satiriker ins Schloss Bellevue
Ein neues Bündnis kündigt sich an: Linkspartei und Piraten wollen den Kabarettisten Georg Schramm als Kandidaten. Der Umgarnte selbst hält sich bedeckt.
In seltener Einigkeit traten am Sonntag die Vertreter von Regierungsparteien, Grünen und der SPD vor die Mikrofone im Bundeskanzleramt. Mit Joachim Gauck war soeben der lange gesuchte Konsenskandidat gefunden, man lächelte. Nun deutet sich in der Suche nach dem nächsten Bundespräsidenten eine kleine Überraschung an. Und das nächste, wenn auch eher zufällige Bündnis. Denn sowohl Linkspartei als auch die Piraten hegen Sympathien für den politischen Kabarettisten Georg Schramm.
"Schramm wäre sicherlich der bessere Bundespräsident, denn er stünde nicht auf der Seite der Banken und Finanzmärkte, sondern auf der Seite ihrer Kritiker", sagt Linken-Fraktionsvize Sahra Wagenknecht, "außerdem könnte dieses mittlerweile allzu beschädigte Amt etwas Frische, Witz und Charme und vor allem den Mut zur Gesellschaftskritik gut gebrauchen." Mit dieser Ansicht steht Wagenknecht keinesfalls alleine da. Bodo Ramelow, thüringischer Fraktionschef der Linken, sagt: "Ich bin schon affin, ich mag ihn gern.
Bisher gab es nur Bundespräsidentendarsteller, da kann man auch gleich einen Satiriker nehmen." Aber, so Ramelow weiter, er habe Respekt vor der Partei und warte die endgültige Entscheidung ab. Zuvor hatte bereits Exparteichef Oskar Lafontaine betont, Schramm sei ein interessanter Vorschlag. Die Linke will am Donnerstag in einem Spitzentreffen entscheiden, ob sie am 18. März einen eigenen Kandidaten gegen Joachim Gauck ins Rennen schickt. Andere Namen als Schramm sind noch nicht gefallen.
Luiquid Feedback
Etwas anders im Verfahren, aber mit dem bisher gleichen Ergebnis liegen die Dinge bei den Piraten. Dort läuft bereits seit Freitag eine Befragung von Mitgliedern, im Piratendeutsch "Liquid Feedback" genannt. In der bis zum heutigen Mittwochmittag laufenden Aktion können Anträge zum Thema Bundespräsidentenwahl eingebracht und zur Abstimmung gestellt werden. Weniger als 24 Stunden vor Ablauf der Frist haben insgesamt drei Anträge die nötige Mindestzustimmung erreicht.
Mit Abstand auf Platz eins: "Nomination von Georg Schramm zum Bundespräsidenten." Sollte sich dieses Ergebnis bis zum Ablauf der Umfrage nicht ändern, müssen sich die im Berliner Abgeordnetenhaus vertretenen Piraten dazu verhalten.
Sie schicken die zwei Vertreter der Partei in die Bundesversammlung. Am späten Dienstagnachmittag beriet die Fraktion darüber, ob das Votum bindend wirken solle. "Es kommt darauf an, wer an der Bundesversammlung für die Piratenpartei teilnimmt", sagt Marina Weisband, politische Geschäftsführerin der Bundespartei.
Vom Tisch scheint eine zunächst mögliche Unterstützung der Kandidatur von Joachim Gauck zu sein. "Die Stimmung ist sehr Gauck-kritisch", sagt Weisband. "Die Piratenpartei unterstützt niemanden, der sagt, dass Occupy albern ist und Sarrazin mutig."
Gemeinsamer Gegenkandidat
Und so steuern die ungleichen Piraten und die Linkspartei auf einen möglicherweise gemeinsamen Gegenkandidaten für Joachim Gauck zu. Obwohl man sich zumindest bei den Piraten bei der Vorstellung offenbar nicht ganz wohl fühlt. "Wir wollen nicht Koalition spielen", sagt Marina Weisband, "wir wollen keine Parteienveranstaltung." Zur möglichen gemeinsamen Entscheidung mit der Linkspartei sagt sie: "Die Linke könnte sich uns anschließen."
Ob es wirklich dazu kommt, ist allerdings noch nicht sicher. Denn trotz einiger Zustimmung für Schramm ist dessen Kandidatur innerhalb der Linken nicht unumstritten. "Ich finde den Vorschlag sympathisch, unterstütze ihn aber nicht", sagte der Bundestagsabgeordnete Stefan Liebich, "das Staatsoberhaupt sollte nicht noch mehr zur Lachnummer werden." Der mögliche Kandidat Georg Schramm gab sich am Dienstag verschlossen. Er war nicht zu erreichen.
Immerhin: Eine E-Mail-Adresse kandidatur@georg-schramm.de gibt es seit gestern. Damit sei aber nicht gesagt, dass Schramm auch als Gegenkandidat zu Gauck zur Verfügung stehe, erklärte sein Agent Tilman Schmidt. "Die sich häufenden Anfragen haben uns veranlasst, das Ganze etwas zentraler zu steuern", so erklärte Schmidt. Eine Absage ist das nicht.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Müntefering und die K-Frage bei der SPD
Pistorius statt Scholz!
Unterwanderung der Bauernproteste
Alles, was rechts ist
Rentner beleidigt Habeck
Beleidigung hat Grenzen
Urteil nach Tötung eines Geflüchteten
Gericht findet mal wieder keine Beweise für Rassismus
Krieg in der Ukraine
Russland droht mit „schärfsten Reaktionen“
Aktienpaket-Vorschlag
Die CDU möchte allen Kindern ETFs zum Geburtstag schenken