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taz FUTURZWEI

Liebes-Coaching Wie klappt Online-Dating?

Kein Mensch will Aron. Doch dann gibt ihm die Online-Dating-Expertin Alma Tipps bei der Profilerstellung.

Aron bekommt von seiner Freundin Alma Hilfe beim Online-Dating. Doch wie geht es offline weiter? Foto: Foto aus der Produktion „Rosalinde“ von KÜNSTLER1SCHE 1NTELL1GENZ

Von ARON BOKS

taz FUTURZWEI, 11.05.2023 | „Ich hatte ein Date”, sage ich durchs Telefon.

„Ja krass ”, antwortet Alma.

Seit Kurzem probiere ich eine Online-Dating-App aus und Alma hatte damals ein Bild von mir ausgesucht, das potenziellen Date-Partner:innen als erstes angezeigt wird, wenn sie mich dort entdecken.

STIMME MEINER GENERATION​

Aron Boks und Ruth Fuentes schreiben die taz FUTURZWEI-Kolumne „Stimme meiner Generation“.

Boks, 27, wurde 1997 in Wernigerode geboren und lebt als Slam Poet und Schriftsteller in Berlin.

Fuentes, 29, wurde 1995 in Kaiserslautern geboren und war bis Januar 2023 taz Panter Volontärin.

Ich selbst wählte zunächst eines, wo ich mit Segelschuhen, einem hellbraunen dünnen Mantel über einem schwarzen Rollkragenpullover ganz aufgeweckt in die Kamera sehe. So ein angenehmer Adelsvibe, der in linken Kreisen zwar verpönt, aber doch irgendwie verlockend ist. Wie eine Taxifahrt zum Flughafen oder ein Bagel bei Starbucks, dachte ich.

„Sieht gut aus”, hatte mir Alma mit einem bereits mitschwingenden „aber“ gesagt, als ich mich wunderte, wieso sich kein Mensch mit mir treffen wollte. „Aber wenn ich solche Bilder sehe, würde ich denken, dass du irgendein Typ wärst, der mich die ganze Zeit mit seinen Projekten belabert.”

„Ich werd' ja schon nervös, wenn ich meinen Freunden von irgendwelchen Projekten erzähle!” antwortete ich.

„Ich weiß das, aber die anderen wissen es nicht”, sagte sie liebevoll und suchte ein neues Bild aus, auf dem ich mit Zigarette und Lederjacke in die Kamera grinse.

Dann traf ich Mira.

Sie sah genau so aus wie auf ihrem Foto. Das ist super, da sie wahnsinnig gut aussieht. Wir tranken etwas in einer Bar, das Gespräch nahm schnell an Fahrt auf, brachte uns von unserer Kindheit in eine Diskussion über Paul Celan und Walter Benjamin und dann küssten wir uns.

„Ich warte die ganze Zeit auf ein Aber”, sagt Alma jetzt.

„Ich weiß überhaupt nicht, was abgeht!” antworte ich.

Die Gefahr der Euphorie

Gut, das Treffen fand ja auch erst gestern statt, denke ich. Aber das ist egal. Seit gestern hänge ich am irren Marionettenfaden der Euphorie. Gern studiere ich in solchen Momenten die Choreografie eines Acapella-Songs ein, der zu meiner Lebenssituation passt.

Gerade ist es „The Longest Time“ von Billy Joel, in dem er darüber singt, dass er keinen Plan hat, ob es eine Zukunft in einer neuen Liebesbeziehung gibt, aber feiert, dass es überhaupt Liebe gibt. „I’ll take my chances, I forgot how nice romance is”.

Und vielleicht wäre es gut, all das Mira zu schreiben, denke ich.

„Immer wenn du sowas denkst, dann unterdrück es sofort.“

Alma weiß nicht nur eine Menge übers Online-Dating, wir hatten selbst einmal eine kurze amouröse Phase, haben dann gedatet und ich habe mich dann ähnlich überschwänglich verhalten, was nicht wenig dazu beigetragen hat, dass sie das Ganze beendet hat. Vielleicht sollte ich also auf Alma hören, denke ich, und das Romantiklevel erst einmal etwas herunterfahren und für mich allein singen.

Die passenden Dating-Fotos

Am nächsten Tag ruft mich Alma an. Eigentlich macht sie eine Pause vom Online-Dating, aber jetzt hat sie wieder Lust. Diesmal ist es überraschenderweise sie, die mich um Hilfe bei der Fotoauswahl bittet.

„Also, ich will schon irgendwie Körper zeigen, aber eben auch nicht needy aussehen, weiß du was ich meine?“ sagt sie.

„Aber wieso hast du denn gleich fünf Bilder vom Wandern in deiner Auswahl?“ frage ich. „Du wanderst doch gar nicht gern.“

„Ich will nicht langweilig wirken!“

„Alma, du bist …“, versuche ich gruppentherapeutisch zu intervenieren.

„Aron, ich will einfach mal wieder ein geiles Date haben und brauche jetzt 'ne Meinung.“

„Dann nimm nur die Bilder, auf denen du frontal in die Kamera guckst”, sage ich.

„Aber wie sieht meine Nase darauf aus?“

„Wie meinst du das?“

„Tu nicht so, du weißt, dass ich eine ziemlich lange Nase habe. Wenn Typen darauf nicht vorbereitet sind, dann sind sie vielleicht enttäuscht.“

Natürlich sein, ohne abzuschrecken

Mann, denke ich. Auf der einen Seite wird uns von allen Seiten gesagt, dass wir uns einfach natürlich geben und ehrlich sein sollen, auf der anderen Seite, sorgen sich Menschen wie Alma darüber, irgendjemanden zu enttäuschen. Obwohl sie super sind, super Nasen haben und überhaupt super begehrt und routiniert beim Online-Dating sind.

Während wir telefonieren, sehe ich immer wieder in meinen Chat mit Mira.

„Das war ein schöner Abend!“ schrieb ich.

„Das fand ich auch“, so ihre Antwort. Ohne Ausrufezeichen oder irgendeinen anderen Beweis der Euphorie. Aber das bringt mich überhaupt nicht aus der Bahn, hatte ich mir schon nach Almas Coaching eingeschärft und meine überschwänglichen Gedanken in ein schlichtes „Bis bald“ gepresst, es abgeschickt und den am nüchtern lächelndsten Emoji ergänzt, der bei WhatsApp im Angebot ist.

Die Nachricht wurde gelesen, mehr nicht. Aber ich jammere Alma jetzt nicht voll, denke ich, und schaue auf den Emoji, der, genau wie ich jetzt auch, nicht daran denkt, noch einmal nachzuhaken. Weil er sich nicht stresst und die Dinge einfach mal auf sich zukommen lässt.

Wer weiß, ob Mira und ich uns überhaupt kennengelernt hätten, wenn ich nicht das Foto ausgewählt hätte, zu dem mir Alma geraten hatte, dass punkiger als mein Landadel-Bild aussieht, denke ich. Blöde Dating-App-Oberflächlichkeit. Überhaupt sollte jeder Typ dankbar sein, Alma daten zu dürfen, und ich will eigentlich nur ungern von einer Person gedated werden, wenn ich ihr auch links genug aussehe. An manchen Tagen fühle ich mich eben wie ein kleiner Lord, der gerade auf irgendein Poloturnier muss und möchte auch dann geküsst werden, denke ich. Das kann ich nicht ablegen. Genau wie meine natürlich romantische Art.

„Das gehört doch alles zu mir!” sage ich Alma am Telefon, „sogar der Adelsvibe“.

„Ja und jetzt weiß ich auch, dass das schön ist“, antwortet sie. „Aber jemanden, der dich noch nicht kennt, überfordert das, man ist ja gerade dabei sich kennenzulernen“, sagt sie und schickt mir noch zehn weitere paar Bilder von sich, in denen sie im Wald und auf Reisen ist und dafür ein paar Porträtfotos inklusive Nase.

„Sei einfach du selbst!“

Eigentlich ist dieser Gedanke der kompletten Authentizität beim ersten Treffen doch Schwachsinn, denke ich dann wieder. Egal ob beim Online- oder Offline-Dating. Als Mira herausfand, dass ich mit einem Uber gefahren bin, um nicht zu spät zu kommen, habe ich meine Taxifahrsucht verschwiegen. Aus Angst, damit wie der Schnöseltyp auf ebendem Foto zu wirken, das mir Alma verboten hatte. Ich behauptete, dass ich mir „diesen Luxus“ alle paar Monate einmal gönne. Und wer weiß, vielleicht hat Mira eine ähnliche oder andere hedonistische Schwäche, die sie mir irgendwann verraten wird. Vielleicht ist sie sogar ähnlich romantisch-überschwänglich veranlagt oder studiert eine Choreografie von „The Longest Time“ ein ... wer weiß.

Vielleicht muss ich mich wirklich einfach darauf einlassen, dass es beim Daten auch immer um Performen geht. Als Alma und ich uns kennenlernten, trug ich ein knallgelbes Hemd mit Mustern, das mich in der Menge wie eine paarungswillige Ente auffallen ließ und nicht gerade zu meiner Alltagskleidung gehört. Und der Reiz des Kennenlernens ist doch dann, immer mehr von sich zu zeigen, bis man sich irgendwann traut, nackt mit seinen nicht vorhandenen Muskeln in die Havel zu springen und sich trotzdem oder gerade deswegen zu mögen.

„Alma, ich finde deine Nase sieht …“, beginne ich. In dem Moment erreicht mich eine Nachricht. Mira will sich treffen.

„Aber keine Billy Joel-Choreo!” sagt Alma.

„Und du bitte keine Wanderfotos!“ antworte ich. „Ich bin extrem aufgeregt.“

„Ach das wird schon“, sagt Alma in einer leichten Sing-Sang Stimme, die immer verrät, wenn sie abgelenkt ist. „Sei einfach du selbst.“

Danke für den Tipp!

Die Kolumne „Stimme meiner Generation“ wird von der taz Panter Stiftung gefördert.