: Lieber Wilmersdorf als Hauptstadt Deutschlands
■ betr.: "Kreuzberg Hauptstadt Deutschlands", taz vom 31.7.90
Betr.: „Kreuzberg Hauptstadt Deutschlands“,
taz vom 31.7.90
Die eindeutige und parteiische Stellungnahme Eurer Zeitung zugunsten von Kreuzberg als Hauptstadt eines vereinigten Deutschlands darf aus rein sachlichen Erwägungen nicht unwidersprochen bleiben. Die naheliegendste (und kostengünstigste) Lösung ist nämlich nicht Kreuzberg, sondern Wilmersdorf. Wer denkt nicht sofort an das Rathaus Wilmersdorf als Sitz des zukünftigen deutschen Parlamentes (wo doch heute noch die schönen Wappen von Pommern, Schlesien etc. im Hinterhof des Rathauses hängen; sie könnten als Zeichen zukünftiger Stoßrichtung wiederverwendet werden). Und wenn das Bundeskanzleramt wieder in die Nazi -Bauten der Senatsverwaltung für Inneres am Fehrbelliner Platz (später dann: „Platz des 2. Dezember“) einzieht, wird so ein überzeugender Schritt in Richtung Vergangenheitsbewältigung geleistet.
Auch der Neubau eines Botschaftsviertels bereitet keinerlei Probleme. Im Westen von Wilmersdorf gibt es haufenweise unbebaute Fläche (Fachleute nennen dieses Gebiet wegen der paar gesunden Bäume auch „Grunewald“). Der größte Vorteil von Wilmersdorf wurde aber noch nicht genannt:
Da Wilmersdorf weder an Ost-Berlin noch an die DDR grenzt, fällt es demonstrierenden DDR-Bürgern zumindest sehr schwer, bis ins Regierungsviertel vorzudringen.
Georg Dybe, Wilmersdorf
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