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„Liebe taz...“ Zehn Scharfschützen

Betr.: „Hier beginnt das Humornotstandsgebiet“, taz vom 23.04.2001

Ich habe Zweifel, ob es eine gute Entscheidung war, Ihren bisherigen Lokalsport-Reporter und Fachmann für Kleintierzucht dazu zu verdonnern, zu dieser Autorenlesung mit Osman Engin & Cem Özdemir in der Kunsthalle am 20.04.2001 zu gehen. Ihr junger Mann hat sich Mühe gegeben und tapfer geschlagen, bzw. seinen Job halt so gut erledigt, wie er eben konnte. Fragt sich, ob das ausreicht.

Ihr Reporter kritisiert, dass einer der beiden Autoren die Frechheit besessen habe, an dem Abend seine rot-grünen Lieblingsthemen „Leitkultur“ & „Nationalstolz“ usw. anzusprechen. Ihr junger Reporter kann natürlich nicht wissen, daß „Leitkultur“ & „Nationalstolz“ in Wirklichkeit lediglich die Titel von Osman Engin-Satiren sind, die bereits vor Monaten im Bremer Blatt erschienen sind.

Ihr Mann hat fein beobachtet, dass das Publikum jeden Spruch auf der Bühne beklatschte und motivlos hysterisch lachte. Was er aber nicht berichtet, ist, dass Osman Engin, in seiner abgrundtiefen Bösartigkeit zehn Scharfschützen beauftragt hatte, jeden Zuschauer auf der Stelle zu erschießen, der nicht ständig lacht! Das Publikum wusste aber darüber genau Bescheid! Und was das zwanghafte Lachen bei jeder noch so schlappen Pointe betrifft, da war Ihr Mitarbeiter offenbar noch nie bei einem Comedy-Abend.

Natürlich hat er aber gemerkt, dass Osman Engin von dem seit 3 bis 4 Jahren aktuellen „Kanak-Sprak“-Phänomen profitiert. Dummerweise hat Osman Engin diese Art der „türkisch-deutschen“ Literatur schon vor 23 Jahren geschrieben, und schon damals sind diese Bücher gut verkauft worden. Der Humor eines Osman Engin ist ihm nicht intellektuell, bzw. feinsinnig genug und das gesamte Publikum im Saal ist dumm, verklemmt und ferngesteuert. Aber Ihr Kommentator hat sie alle zum Glück durchschaut!

Dem Artikel entnehme ich, dass der Reporter mit dem Dargebotenen nicht zufrieden war und sich literarisch unterfordert fühlte. Das ist sein gutes Recht. Das kann ich nachempfinden, das geht mir manchmal auch so. Aber Osman Engin hat in seinen Büchern nie einen Hehl daraus gemacht, dass er nicht für selbstgerechte „Superschlaue“, sondern ganz bewusst für die Mehrheit der Bevölkerung, also die sogenannte breite Masse. Wenn man diese als Zielgruppe erkannt und akzeptiert hat, dann muß man auch die entsprechenden Stilmittel akzeptieren. Ralf Behrendt

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