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„Liebe taz...“ Wenig hilfreich

Betrifft: „Kampfhunde nur noch mit Erlaubnis“, taz bremen vom 19.5.2000

Bereits seit 1998 verbietet das Tierschutzgesetz sowohl die Zucht von Tieren, die unter erblich bedingten Verhaltensstörungen und Aggressionssteigerungen leiden, als auch Ausbildungsmethoden, die zu einem aggressiven Verhalten von Tieren führen. Vor diesem Hintergrund bedürfte es weder der jüngsten Beschlüsse von Innenministerkonferenz und Bundesrat, um dort, wo Hunde bewusst auf Aggressivität gezüchtet oder abgerichtet werden, zum Schutz von Tier und Mensch wirksam einzugreifen. Wenig hilfreich sind in diesem Zusammenhang insbesondere viele der sogenannten Kampfhundeverordnungen, die derzeit in zahlreichen Kommunen diskutiert werden. Ein markantes Beispiel hierfür ist die jüngst verabschiedete Bremerhavener Kampfhundeverordnung, die unter dem Eindruck eines spektakulären Unfalls in nicht einmal einem Monat ausgearbeitet und verabschiedet wurde.

Dabei ist es noch eine kuriose Fussnote, dass eine Rasse gleich zweimal unter verschiedenen Bezeichnungen auftaucht, während der ebenfalls erwähnte „Chinesische Kampfhund“ einzig in der Phantasie dessen existiert, der die bewusste Liste irgendwann einmal für eine Tierhalterhaftpflichtversicherung zusammengestellt hat. Wirklich problematisch ist der Umstand, dass für eine ganze Hundepopulation ohne Ansehen des Individuums eine gesteigerte Aggressivität unterstellt und ein genereller Maulkorb- und Leinenzwang verordnet wird. Hierbei werden auch Rassen einbezogen, die weder durch die Beschlüsse der Innenminister noch durch den Bundesrat als gefährlich eingestuft werden. (...) Durch diese Verordnung wird das Risiko von Zwischenfällen eher noch gesteigert. Denn eine fortdauernde Einschränkung der Bewegungs- und Kommunikationsfähigkeit, wie sie durch Maulkorb und Leine gegeben ist, führt beim Lauf- und Rudeltier Hund mit hoher Wahrscheinlichkeit zu Verhaltensstörungen, die sich bei manchen Tieren irgendwann in aggressivem Verhalten entladen können. Für einen wirksamen Schutz der Bevölkerung vor Zwischenfällen mit Hunden (die wohlgemerkt eher zu den geringen Lebensrisiken zählen, vergleicht man sie etwa mit den Gefahren durch Strassenverkehr, Umweltgifte und Gewaltkriminalität!) wäre neben der schlichten Anwendung bestehender Gesetze auch eine bessere Aufklärung über artgerechte Tierhaltung und über die Verhaltensweisen von Hunden (z.B. als Unterrichtsthema in der Grundschule) sinnvoll. Freilich entfiele dann für zahlreiche Kommunal- und Landespolitiker eine attraktive Möglichkeit, ohne sich ohne allzu viel störende Sachkenntnis zu profilieren und öffentlichkeitswirksame Handlungsfähigkeit zu demonstrieren.

Jan Scotland, Richter

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