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„Liebe taz...“ Kindergeld als soziale Wohltat?

Betr.: „Sozialhilfe soll runter“, taz vom 16.9.1999 und „Zwei billige Oberhemden müssen reichen“, taz vom 17.9.1999 und Leserbrief „Mit der Sozi zu Feinkost Albrecht“, taz vom 21.9.1999

Zehn Millionen Mark will Sozialsenatorin Hilde Adolf (SPD) ausgerechnet bei den Ärmsten einsparen. Da sind die gravierenden Kürzungen bei Kleidergeldpauschalen und einmaligen Beihilfen ein neuer unglaublicher Skandal angesichts der Tatsache, dass die ganze Innenstadt mit „Vergnügungsparks“ und Einkaufsparadiesen für reiche Flaneure und MüßiggängerInnen vollgepflastert wird.

Deshalb empfinde ich es als besonders zynisch und schamlos, wenn die Stadt für ein Vielfaches der zehn Millionen Mark Protzbauten finanziert und gleichzeitig die Armen immer ärmer spart. (...)

Auch wird überhaupt nicht im Geringsten daran Anstoß genommen, dass in mehr oder weniger regelmäßigen Abständen Senatoren und Abgeordnete fleißig und unverdrossen ihre Einkünfte aus den (leeren) Staatskassen selbst aufbessern. Unsere auf Sozialhilfe angewiesenen Mitmenschen haben solche Möglichkeiten bekanntlich nicht.

Die Staatshaushalte sind überschuldet, aber fünf Prozent der privaten Haushalte in der Bundesrepublik besitzen mehr als ein Drittel des Gesamtvermögens von über vier Billionen, das sind mehr als 1,3 Billionen unversteuerte Deutschmark!

Angesichts dieses Reichtums und der fortgesetzten Umverteilung von unten nach oben, sowie der Finanzierung von Rüstung und Krieg ist es ungeheuerlich, wenn z.B. das als „soziale Wohltat“ gepriesene Kindergeld den Reichen oben drauf gegeben, den SozialhilfebezieherInnen aber wieder abgezogen wird. Da ist gemeinsam mit Betroffenen wie Jürgen Gerke Solidarität und Protest geboten! Es wird höchste Zeit, dass sich SPD und Sozialsenatorin auf mehr soziale Gerechtigkeit besinnen.

Wieland von Hodenberg

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