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„Liebe taz...“ Auch das ist ein Verlust an Kultur

Betr.: Die original taz-Bleiwüste, taz bremen vom 10. Juli 2000

Sehr geehrte Frau Kern,

vor Ihren Ohren finde ich selten Gnade. Aber inzwischen frage ich mich (und jetzt auch Sie): Warum hören Sie nicht zu? Die Aussagen, die Sie mir in Ihrem Beitrag vom 10.7. zuschreiben, habe ich nicht gemacht. Im Gegenteil: Ich habe mich sehr deutlich für den Erhalt der Förderung der GAK ausgesprochen. Und wo Sie schon konzedieren, ich habe mir das verbale Besteck eines Kulturpolitikers (der ich als Leiter der Kulturabteilung nicht bin) angeeignet: Über „Sachzwänge“ für eine Schließung habe ich keine Sekunde geredet, auch nicht über Asbestsanierungen. Gesprochen habe ich vielmehr über die Konkurrenz der Politikfelder, unter anderem zwischen Sozialpolitik und Kulturpolitik, und dass es in dieser Situation schwer ist, für Ausgaben der öffentlichen Hand für moderne Kunst so erfolgreich zu werben, dass auch parlamentarische Mehrheiten sich überzeugen lassen. Gleichwohl werde ich es weiter versuchen.

Im Frühjahr dieses Jahres hatten Sie sich darin gefallen, mich per freier Assoziation in die Nähe von Nazi-Größen zu rücken. Rhetorische Mittel der Kampfpresse benutzen Sie nun selber, wenn Sie schreiben: „So verdreht dann ein Reinhard Strömer die komplexen Zusammenhänge der Umverteilung weg von Hirn, Herz, Menschlichkeit hin zur Gewalt der Handymen.“ Mit dem unbestimmten Artikel „ein Reinhard Strömer“ stellen Sie mich als Unperson dar und geben zu verstehen, dass man gegenüber so einem wie mir getrost Vorurteile haben kann, weil eh klar ist, was von ihm zu erwarten ist – ein Handyman eben, Gewaltmensch. Der Schwarze Mann! (Er kommt um die Kultur zu holen.)

Es gibt eine Gewalt der Sprache, die Sie nicht reflektieren. In dem die Stadt vergiftenden Verteilungskampf um öffentliche Zuschüsse haben Sie Partei für die Künstler ergriffen. Das ehrt Sie, aber wie alle Kämpfer laufen auch Sie Gefahr, sich dem von Ihnen konstruierten Feindbild anzugleichen und Verbündete nicht mehr zu erkennen. Diese Art der Parteinahme macht Sie befangen, damit setzen Sie Ihre Glaubwürdigkeit aufs Spiel und das Vertrauen in die Unabhängigkeit der taz – auch das ein Verlust an Kultur.

Reinhard Strömer

(Ein Mann ohne Handy)

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