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Lichterkette gegen AsseMit 15.000 Fackeln gegen Atommüll

Tausende Bürger bilden an den Atomlagern Asse und Schacht Konrad eine 52 Kilometer lange Lichterkette. Sie fordern, "Licht ins Dunkel der Atommüllentsorgung" zu bringen.

Eine breite Koalition aus Kirchen, Gewerkschaften und Parteien von der Linke bis zur CDU demonstrierten mit. Bild: dpa

Mit einer 52 Kilometer langen Lichterkette haben Anwohner der ehemaligen Bergwerke Asse und Schacht Konrad gegen die Lagerung von radioaktivem Müll in ihrer Region demonstriert. Nach Angaben der Organisatoren und der Polizei formierten sich am Donnerstagabend rund 15.000 Menschen mit Fackeln zu einer weithin leuchtenden Kette. Sie führte vom im Bau befindlichen Endlager Schacht Konrad in Salzgitter am maroden Atommülllager Asse vorbei über Wolfenbüttel bis nach Braunschweig.

Am Atommülllager Asse, das auf dem gleichnamigen Höhenzug bei Wolfenbüttel liegt, schlängelte sich um 19 Uhr die Fackelkette viele Kilometer weit sichtbar nach Westen in Richtung Salzgitter. Auch nach Nordosten hin an der Straße über den bewaldeten Höhenzug stand alle paar Meter ein mit Licht bewaffneter Anwohner.

An 78 Sammelpunkten, in die die Arbeitsgemeinschaft Schacht Konrad und der Asse Koordinationskreis die Strecke eingeteilt hatten, trafen die Demonstranten ab sechs Uhr Abends ein. Die örtlichen Gruppen überreichten ihnen Fackeln. Sie hatten auch für wärmende Feuerstellen, heiße Getränke, Bier und Bratwurst gesorgt. Ab halb sieben verteilten sich die Atommüllgegner und entzündeten ihre Fackeln. "Auf der gesamten Strecke war die Kette komplett geschlossen", berichtete später auch ein Sprecher der Polizei in Salzgitter.

Die Fackeln leuchteten hell im starken Wind, brannten aber auch schnell ab. Nach einer halben Stunde war die Kette, die symbolisch "Licht ins Dunkel der Atommüllentsorgung" bringen sollte, nicht mehr zu sehen. "Trotz Kälte und Wind hat im Durchschnitt alle drei Meter jemand mit einer Fackel gestanden - das ist ein Erfolg, wie wir ihn anfangs wirklich nicht erwartet haben", sagte Udo Dettmann vom Koordinationskreis. Nach Angaben von Peter Dickel von der AG Schacht Konrad beteiligten sich rund 200 örtliche Gruppierungen an dem Protest. Darunter waren Kirchengemeinden, Gewerkschaftsgruppen, Gliederungen der Linken, der Grünen, der SPD, der CDU, Sportvereine und lokale Anti-AKW-Gruppen. In Wolfenbüttel gingen auch mit Fackeln bewaffnete Schulklassen gemeinsam auf die Straße. Um 19 Uhr läuteten Kirchenglocken. Mit Abordnungen beteiligten sich auch die Bürgerinitiative Lüchow-Dannenberg und Anwohner des Endlagers Morsleben. Die Beteiligung verschiedener Gruppen über Parteigrenzen hinweg dokumentiere, dass die Bevölkerung der Region die Atommülllagerung in der Asse und in Schacht Konrad mittlerweile klar ablehne, so Dickel.

An der Asse gratulierte der Landrat des Kreises Wolfenbüttel, Jörg Röhmann (SPD), den Organisatoren. Auch er betonte, dass bei der Kette alle Bevölkerungsgruppen dabei sein. Der seit Jahresanfang für die Asse verantwortliche Präsident des Bundesamts für Strahlenschutz, Wolfram König, äußerte Verständnis dafür, dass das Vertrauen der Bürger gestört sei. Er versprach, durch Transparenz künftig Licht ins Dunkel der Atommülllagerung zu bringen.

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5 Kommentare

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  • IH
    Islenski Hesturinn

    Entschuldigung, dass ich nochmal kurz schreibe: Vorhin hätte ich vielleicht genauer "südlich und südöstlich von Spitzbergen" schreiben sollen.

     

    Was übrigens den Müll allg. angeht: Ja, z.B. allein die viele hochgiftige Asche aus Zigarren und Zigaretten und deren Reste ... aber wie gesagt, so wenig ein Mord einen anderen harmloser macht, so wenig macht ein Müll den anderen harmloser, im Gegenteil, je mehr, umso schlimmer.

  • IH
    Islenski Hesturinn

    Übrigens ließen sich auch in den Gewässern südlich von Spitzbergen, wo mehr als 800 km2 nicht allzu tiefe Meeresfläche existieren, in großzügigen Abständen (um Wale etc. nicht allzu sehr zu verunsichern) sehr viele offshore Wellenkraftparks installieren, sei es mit Wave Dragon oder mit Bojen von SRI u.a. Und auch in den Küstengewässern von Island u.s.w. natürlich.

    Von den bislang noch europaweit fas ungenutzten Geothermie-Potenzialen ganz zu schweigen.

     

    Uran- und Kohlekraftwerke sind wirklich Technologien von Vorgestern.

  • IH
    Islenski Hesturinn

    @ Jan Gottwald: Ich finde es auch seltsam. Übrigens wäre es ein grotesker Fehlschluss, den radioaktiven Müll nun für harmlos zu halten.

    Das Umgekehrte ist der Fall, nämlich die Lage ist noch viel Schlimmer, als den meisten Leuten bewusst ist.

     

    Ich vermute übrigens, in einigen Tausend Jahren werden die Menschen, wenn die Menschheit Glück hat und dann dazu in der Lage sein wird, vielleicht den ganzen Müll tatsächlich ausgraben, versuchsweise dabei verschlossen halten, und mit Raumschiffen in die Sonne schießen. Der Vorteil beim nicht-radioaktiven Müll ist, dass er dabei keinen Schaden anrichtet, wenn es gelingt, ihn verschlossen zu halten. Der radioaktive Müll muss allerdings zugleich ausreichend bzgl. der Strahlung abgeschirmt werden.

    Beides dürfte deutlich sehr viel teurer sein (in Prozent des zukünftigen BSP gerechnet), als durch die angeblich so billlllllige Erzeugung der Dinge, aus denen dieser Müll stammt,

    z.B. eben auch der angeblich sooooo billlllige Atomstrom, verzeihung "Kernkraftstrom" heißt es ja im Korrektneusprech (damit doch bitte ja niemand auf Zusammenhänge mit Atombomben oder Uranmunition komme, sondern an Apfelkerne, Pinienkerne, Kürbiskerne oder kernige Haferflocken denke).

  • JG
    Jan Gottwald

    Was mich immer wieder verblüfft ist die Tatsache dass niemand bei den Untertagedeponien in Herfa-Neurode, Cröbern, Zielitz oder Heilbronn demonstriert. Mehr noch: es scheint einfach niemanden zu interessieren dass dort wesentlich schlimmere Zeitbomben ticken.

     

    Denn während der radioaktive Müll nach etwa einer Millionen Jahre nicht mehr aktiv ist, ist das Inventar einer Untertagedeponie noch in 100 Mio Jahren genauso gefährlich wie am Tag der Einlagerung.

     

    Sollte es also in einer Mio Jahren zu einer tektonischen Bewegung im Raum eines Endlagers für radioaktiven Abfalls kommen, so ergiessen sich etwa 22.000 Kubikmeter Müll (dessen Radioaktivität nicht mehr wesentlich über dem allgemeinen Aktivitätsniveau liegt) in die Biosphäre.

     

    Platzt aber die Blase einer Untertagedeponie, so reden wir hier von Volumina die teilweise bis um einen Faktor 2.000 größer sind. Zum Beispiel in Herfa-Neurode werden bei der Schliessung Untertage ca 41.2 Mio Kubikmeter hochgradig giftige Stoffe lagern. Und im Gegensatz zu einem Endlager für radiaktiven Müll ist dieser Müll immer gefährlich: in hundert Jahren genauso wie in hundert Millionen Jahren.

     

    Wie gesagt: ich finde das irgendwie seltsam.

  • SH
    Íslenski Hesturinn

    Eine großartige Aktion! Und es war nur ein kleiner Bruchteil der Gegnerinnen und Genger des atomaren Wahnsinns dort.

     

    Deutschland (wie auch der Rest Europas und der Welt) sollte allerdings, um schneller von fossilen Verbrennungen und Atomspaltungen weg zu kommen, mindestens so viel Geld in Erneuerbare Energien stecken wie in Banken und Pkw Konzerne. Hierbei werden derzeit v.a. die Solarenergie in Südeuropa vernachlässigt, aber auch die Wellenkraft (vgl. die Bojen von SRI aus Kalifornien u.a.) und die Geothermie. Letztere könnte ab 2020 ca. die Hälfte des gesamten europäischen Heizungs- und Kühlungsbedarf decken, sowie europaweit ca. 15 GW elektrische Leistung zur Verfügung stellen. Das gelingt aber nicht, wenn nur das EEG dazu benutzt wird.