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Li Pengs Rehabilitierung in Westeuropa

■ Erste Reise in den Westen seit Niederschlagung der Demokratiebewegung im Juni 1989

Berlin (dpa/taz) — War es die Ehrendoktorwürde, die der italienische Premier Giulio Andreotti im vergangenen Jahr von der Pekinger Universität verliehen bekam, die ihn so geneigt machte, den chinesischen Ministerpräsidenten Li Peng nach Rom einzuladen? Wohl eher die Interessen der italienischen Wirtschaft. Zweieinhalb Jahre nach der blutigen Niederschlagung der Demokratiebewegung traf Li Peng am Sonntag abend in Rom ein. Dies ist die erste Reise in den Westen eines der Hauptverantwortlichen des Tiananmen- Massakers. Nach Italien wird Li Peng die Schweiz, Portugal, Spanien und die UNO in New York besuchen.

Sprecher aller Oppositionsparteien, aber auch die sozialdemokratische Koalitionspartei protestierten scharf gegen die Visite. Einige Studenten der Pekinger Demokratiebewegung von 1989 und einige tibetische Mönche sind aus Frankreich und der Schweiz nach Rom gereist, um an Protestveranstaltungen der italienischen Linken teilzunehmen.

Li Peng, der von Außenminister Qian Qichen begleitet wird, will nach Ansicht von Beobachtern insbesondere auf weitere Investitionen der italienischen Wirtschaft drängen. Ein Treffen mit deren wichtigsten Vertretern ist für Dienstag geplant. Italien ist nach dem internationalen Wirtschaftsembargo gegen Peking wegen der blutigen Niederschlagung der Studentenbewegung von Rang zehn auf Rang sechs der wichtigsten Wirtschaftspartner Chinas aufgerückt. Italiens Anteil an Chinas Außenhandel beträgt derzeit 14,1 Prozent. Mit der italienischen Industrie will die chinesische Delegation Abkommen auf den Gebieten der Chemie, der Fernmeldetechnik und der Energiewirtschaft aushandeln oder bestätigen. Auf Li Pengs Wunschliste in Italien steht außerdem ein Regierungskredit in Höhe von 480 Millionen Mark. Damit sollen vor allem Industrieanlagen und Maschinen finanziert werden. Zur Kritik an Li Pengs Besuch sagte Regierungssprecher Mastrobuoni: „Rom ermutigt die Politik der offenen Tür und unterstützt die neue Phase der Modernisierung.“ Die chinesische Diplomatie habe sich positiv verändert und habe insbesondere bei den Konflikten in Kambodscha, in Korea und im Golf ausgleichend gewirkt. Die italienische Regierung habe nicht die Absicht, Chinas Menschenrechtsverletzungen zu vertuschen, sagte der Regierungssprecher weiter. Unterdessen hat die italienische Sektion der Menschenrechtsorganisation amnesty international (ai) Li Pengs Besuch zum Anlaß genommen, gegen die 1.437 Todesurteile zu protestieren, die in den ersten zehn Monaten letzten Jahres in China verhängt wurden. Wie viele Verurteilte tatsächlich exekutiert worden seien, sei nicht festzustellen, sagte ein ai-Sprecher am Montag in Rom. Im Januar und Februar 1991 seien es jedoch allein 120 gewesen.

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