Letztes TV-Duell vor Hessen-Wahl: Angst vor der Angstkampagne
Beim letzten TV-Duell vor der Wahl werfen sich Hessens Kandidaten wechselseitig Populismus vor: FDP-Chef Hahn bezichtigt Rot-Grün einer "Angstkampagne" gegen Atomkraft.
Ministerpräsident Roland Koch (CDU) verlor am Donnerstagmorgen im Fernsehstudio des Hessischen Rundfunks nur fast die Contenance. Die aufgezeichnete und am Abend gesendete, letzte Duellrunde der Spitzenkandidaten von CDU, SPD, Grünen und FDP vor der Landtagswahl am Sonntag geriet relativ schwungvoll.
Der Fraktionsvorsitzende Tarek Al-Wazir hatte Koch einen "schmutzigen Wahlkampf" vorgeworf. Dabei blieb er auch vor den TV-Kameras. Koch gehe es "nicht um die Sache", sondern nur darum "wiedergewählt zu werden". Der konterte, er reagiere nur darauf, dass er als "Hetzer und Brandstifter" diffamiert worden sei: "Sie wollen die Person treffen!" Koch verteidigte die CDU-Plakate "Ypsilanti, Al-Wazir und die Kommunisten stoppen": "Wir haben drei linke Parteien, die gemeinsam das bürgerliche Lager angreifen." Die SPD-Spitzenkandidatin Andrea Ypsilanti stehe mit ihrem Namen dafür, dass sie "ihre Partei geprägt" und "fähig zur Koalition mit der Linkspartei gemacht" habe. Ypsilanti (SPD) warf Koch einen "Wahlkampf mit der Angst vor", der sich gegen Einwanderer richte und die politischen Gegner pauschal unter Kommunismusverdacht stelle.
FDP-Fraktionschef Jörg Uwe Hahn bezichtigte SPD und Grüne, ebenfalls eine "Angstkampagne unter der Gürtellinie" gegen die Atomkraft inszeniert zu haben und dabei Parolen des NS-Propagandaministers Goebbels benutzt haben. Al-Wazir konterte: "Das fällt auf Sie selbst zurück."
Zum Unmut von Koch trug sichtlich auch bei, dass der mögliche Koalitionspartner FDP ihm zwecks Schärfung des eigenen Profils mehrmals in den Rücken fiel. Hahn kritisierte die Landesregierung für ihre Finanz-, Sicherheits- und Schulpolitik: Sie habe zu viele Schulden, es gebe zu wenige Richter und Polizisten.
Von Uneinigkeit war bei den potenziellen Partnern SPD und Grüne nichts zu spüren. Schon am Vorabend der Diskussion waren Ypsilanti und Al-Wazir bei einer Wahlkampfveranstaltung in Frankfurt gemeinsam aufgetreten. Sie kritisierten Koch für seine Energiepolitik, die die Nutzung alternativer Energien blockiere. Al-Wazir: "Koch ist der George Bush Hessens!" FDPler Hahn plädierte für einen "Energiemix". Hessen dürfe nicht "zum Experimentierfeld für Fantasten werden". Pech für Ministerpräsident Koch, dass eines seiner jüngsten Wahlkampfthemen wegen der auf 90 Minuten begrenzten Sendezeit am Ende zu kurz kam. Er hatte Ypsilanti finanz- und wirtschaftspoltische Kompetenz abgesprochen. Sie wolle mit dem "Füllhorn" regieren und könne nicht rechnen: "Es gibt Sachen, da bleibt Adam Riese Sieger!" Hessen zahle einen zu hohen Länderfinanzausgleich. Die Entschuldung sei bis 2012 "auf dem Weg, langsam zum Ziel zu kommen". Die Kandidatin zählte zum Ende der Diskussion die Unterschriften der SPD-Kampagne für den flächendeckenden Mindestlohn zusammen, 50.000 innerhalb von zwei Wochen. Sie erwartete bis zum Wahltag eine Verdoppelung.
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