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Letztes Gold im EishockeyEin Jubelschrei durch ganz Kanada

Team Canada bezwingt die USA in einem faszinierenden Tempospiel – und macht Kanada glücklich. Trotz der Werbung für den Sport will die NHL nächstes Mal keine Profis mitmachen lassen.

Mundschutz raus, Schläger weg, Handschuhe fort: Torschütze Crosby wirft vor Freude alles von sich – und dann sich selbst rückwärts an die Bande. Bild: ap

VANCOUVER taz | Man kann ein harter Eishockeyspieler sein und trotzdem Blumen lieben, dachte sich wohl Sidney Crosby. Kanadas neuer Superstar schnupperte jedenfalls entrückt lächelnd an seinem olympischen Sieger-Sträußchen, und griff immer wieder nach der Goldmedaille, die um seinen Hals baumelte. „Ich kann es nicht glauben, es fühlt sich unecht an“, sagte der Eishockey-Stürmer. "Das ist doch ein Traum."

Die Geschichte ist tatsächlich fast zu schön, um wahr zu sein, doch sie geschah wirklich, und zwar am Sonntagnachmittag im mit 19.000 Zuschauern restlos vollgestopften Canada Hockey Place von Vancouver: Der 22-jährige Sidney Crosby, gefühlter Nachfolger des großen Wayne Gretzky, machte das eishockeyverrückte Kanada bei den Winterspielen auf heimischen Eis zum Olympiasieger.

Der Stürmer der Pittsburgh Penguins, dessen Trikot mit der Nummer 87 der Verkaufsschlager während der kanadischen Spiele war, traf im Finale gegen die USA in der Verlängerung nach sieben Minuten und 40 Sekunden zum 3:2. Und weil im Eishockey "Sudden death" gespielt wird, also das erste Tor der Verlängerung entscheidet, bezwang Crosby damit gleichzeitig das US-Team. Zum ersten Mal seit 30 Jahren gewann damit eine Eishockey-Auswahl olympisches Gold im eigenen Land, zuletzt gelang das den USA im Jahr 1980 in Lake Placid.

Crosby war in Vancouver nicht der beste Spieler des Team Canada. Das galt auch für seine Leistung im Finale, in dem er in der regulären Spielzeit weitgehend unauffällig blieb. Vor allem seine Sturmkollegen Jarome Iginla und Eric Staal sorgten – wie oft zuvor – für die spektakulären Szenen. Crosby drohte gar zur tragischen Figur zu werden, als er in der 57. Minute beim Stand von 2:1 für Kanada eine riesige Chance hatte, sich aber schlampig den Puck zu weit vorlegte und vergab.

Das US-Team warf noch einmal alles noch vorn, nahm den Torwart raus, um einen sechsten Feldspieler zu haben – und glich tatsächlich aus: Nur 24 Sekunden vor Ende der Spieldauer machte Zach Parise das 2:2. Die Kanadier hatten sich schon als Sieger gesehen, doch so ging die Partie in die Verlängerung.

Sudden death: Crosby macht das Tor, der US-Goalie Miller ist konsterniert. Bild: ap

Mit seinem Siegtreffer machte Crosby den vorangegangen Fehler nicht nur wett, er wurde zum Erlöser seiner Landsleute, die sich bei den Heimspielen nichts mehr gewünscht hatten als Gold im heiß geliebten Nationalsport Eishockey, in ihrem Spiel. Als Crosby traf, hallte ein Jubelschrei durchs ganze Land. Es war das meist gesehene Eishockeyspiel aller Zeiten, es gab in Kanada kaum jemanden, der nicht vor dem Fernseher saß.

Die Finalpartie, in der die zwei besten Mannschaften des olympischen Turniers aufeinander trafen, war zudem eine feine Werbung für die Sportart Eishockey – und speziell für die National Hockey League (NHL), die gemeinsame Profiliga der USA und Kanada, aus der die Spieler der Finalisten ausschließlich stammen.

Kanadier wie Amerikaner zeigten wunderbares nordamerikanisches Power-Eishockey, sie spielten unglaublich schnell und hart, waren zudem technisch stark. Man sah kein taktisches Geplänkel, keine vorsichtigen Aufbaupässe – es ging immer steil nach vorn, volle Attacke.

Die Partien waren somit sehr attraktiv für die Zuschauer und erzielten auch in den USA, wo Eishockey in der Publikumsgunst weit hinter Football, Basketball und Baseball zurückliegt, sehr gute TV-Quoten. Um so mehr verwundert es, dass trotzdem ungewiss ist, ob die NHL auch in vier Jahren, wenn die Winterspiele in Sotschi stattfinden, wieder pausieren wird, um ihren Profis die Olympiateilnahme zu ermöglichen. Zumindest will sie das nicht mehr umsonst tun. „Der Schlüssel zur weiteren Olympiateilnahme ist, am Profit beteiligt zu werden“, sagte NHL-Boss Gary Bettman kurz vor dem Finale in einem Interview.

Wenn es nach Eishockey-Profis und -Trainern geht, sollte sich die Liga aber besser nicht querstellen: „Ich finde, die besten Spieler der Welt sollten die Chance haben, an Olympischen Spielen teilzunehmen“, sagte Kanadas Coach Mike Babcock. „Die NHL sollte die Saison dafür einfach um zwei Wochen verlängern“ schlug er vor.

Sein US-Kollege Ron Wilson sieht es ähnlich. Er setzte sich zudem dafür ein, dass bei Olympischen Spielen künftig immer, wie erstmals in Vancouver geschehen, auf der kleinen, nordamerikanischen Eisfläche gespielt werde, und er machte ein bisschen Anti-Werbung für die europäische Spielart auf dem größeren Eis: „Die Spiele auf unserem Eis sind einfach besser. Immer angreifen, immer nach vorne spielen. Das ist aufregender, die Spieler haben mehr Spaß und die Zuschauer auch.“ Nach diesen Olympischen Spielen ist es schwer, überzeugende Gegenargumente zu finden.

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7 Kommentare

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  • L
    Locker

    Schon interessant die NPD mit den Olympischen Spielen zu vergleichen. Ja, es gibt Menschen, die haben wirkliche Probleme.

  • B
    Bernd

    @Oberhart:

     

    Ich kann schon verstehen, was sie an den Spielen stört. Eine Kleinigkeit jedoch, die mich viel mehr aufregt und die ganze korporatistische Verlogenheit viel knapper gefasst aufdeckt ist, dass bei den Olympischen Spielen, anders als seit einiger Zeit bei Stefan Raabs Franchise erzwungen, keine Bildeinblendung geschaltet werden muss, die diese Veranstaltung korrekt als "Dauerwerbefernsehen" kennzeichnet, zumal die Spiele --sportlich gesehen-- kein Jota aufrichtiger sind als die Brainpool/ProSieben-Produktionen.

     

    Ein weiterer Kritikpunkt ist die Vergabe der Spiele zunächst an China, und demnächst an Russland, zwei weniger als demokratische Staaten. Verglichen damit war die Veranstaltung auf geraubtem Boden in Kanada noch absolut sauber und politisch korrekt.

     

    Außerdem geht es offenbar bei den Spielen mittlerweile immer mehr ausschließlich um einen, Bjoern möge mir die tief blicken lassende Wortwahl verzeihen, zutiefst juvenilen internationalen Schwanzvergleich. Das wichtigste Maß der Dinge schien der vom IOC eigentlich geschasste Medaillenspiegel zu sein. Das war für mich persönlich die größte Enttäuschung.

     

    Aber sei's drum. Die Shorttrack-Wettbewerbe haben mir trotzdem Riesenspaß gemacht, genau wie das Curling und vor allem Skicross. Nervig war nur, dass ich nicht für *alle* Veranstaltungen der rundum bodenlos schlechten öffentlich-rechtlichen Berichterstattung ausweichen konnte. Für die nächsten Spiele sollte insbesondere das ZDF auf Grund von eklatanten personellen Qualitätsmängeln nicht mehr übertragen dürfen. Eurosport war um etliche Tausendstel besser.

  • O
    ole

    Das war wirklich ein grandioses Eishockey Finale. Nicht zu vergleichen mit den etlichen Finalspielen zuvor. Keine taktischen Geplänkel, wenig Strafzeiten, schnell und bis zum Schluß spannend. Insgeheim waren meine Sympathien bei Kanada, aber das US-Team war bis auf ihr Überzahlspiel absolut gleichwertig und sie haben das Spiel in die Overtime gerettet. Spannender kann es doch nicht mehr sein. Die Leistung des zdf Kommentators wurde dem hohen Niveau auf dem Eis leider nicht immer gerecht... aber okay. Dafür haben sie endlich mal eine perfekte Tonabmischung hinbekommen und man hatte auch ein bischen was von der Stimmung in der Halle.

     

    Zu unserem oberharten Kommentator hier:

    Hat nur 3 Sekunden in 4 Jahren!! gesehen, macht aber so ein Aufstand und will sogar noch wissen, wie sich die Interessen der Sportfans prozentual auf die Sportarten verteilen. Das klingt natürlich absolut glaubwürdig.

    Wäre ich den ganzen Tag auf der Suche nach großen Brüsten, würde ich doch nicht zu den den Übertragungen der Olympischen Spiele zappen... einfach mal die Russ Meyer Sammlung entstauben.

  • O
    Oberhart

    @ TAZ-Leser und Bjoern:

     

    1. Welchen Rückschlusse auf mein persönliches Niveau erlaubt denn mein letzter Absatz?! Dass ich große Brüste mag und dazu stehe?! Gut, dass Bjoern keine Vorurteile hat... Und an TAZ-Leser: Ist der Absatz rassistisch, beleidigend oder nicht angemessen? Wieso sollte er dann zensiert werden?!

     

    2. Ich mag auch die NPD nicht, trotzdem lese ich schon mal Artikel über die. Wenn ich wegschaue, dann geht das Übel nämlich nicht weg. So ähnlich ist das mit Olympia auch. Und wenn ich mit meinem Kommentar auch nur einem "Sport"freund die Veranstaltung vergallt habe, hat sich der Kommentar doch schon gelohnt.

  • B
    Bjoern

    @Oberhart: Ich frage mich, was dieser Kommentar hier verloren hat. Ist das eine Provokation gegenüber den Leuten, die diese Veranstaltung gerne besuchen bzw. im TV schauen und sich mit den Sportlern/Sportlerinnen mitfiebern und freuen?

    Und wenn diese Drecksveranstaltung so uninteressant ist, würde ich die Artikel über dieses Großereignis gar nicht erst lesen sondern meine Zeit für wichtigeres nutzen.

    Der letzte Absatz zeigt aber auch eindrucksvoll ihre Sichtweise auf die Dinge des Lebens und ermöglicht mir persönlich auch gewisse Rückschlüsse auf ihr persönliches Niveau zu ziehen.

  • T
    TAZ-Leser

    @Oberhart: einfacher Tipp: nicht gucken und anderen Leuten deinen Kommentar ersparen

    @TAZ: Ich dachte die Beiträge werden geprüft, wie kommt dann Mister Monsteroberweite auf die Seite???

  • O
    Oberhart

    Olympia ist doch ohnehin eine Drecksveranstaltung. 90% der Sportarten interessieren niemand, die interessanten 10% haben zT eigene Weltmeisterschaften oder Vereinsmeisterschaften, die Wettkämpfe auf deutlich höherem Niveau zeigen. Dazu kommen die unglaublich schlechten und heuchlerischen Funktionäre wie Thomas Bach oder Jacques Rogge. Verschleppen, leugnen, die Unschuldsvermutung geltend machen, Trainingskontrollen wegfallen lassen... mit dieser Saubande wird das Dopingproblem in 1000 Jahren nicht gelöst.

     

    Das einzige Mal, das ich beim Zappen mehr als 3 Sekunden bei der Olympiade verweilte, war als die kanadische Curlerin mit der Monsteroberweite ihrem Sport nachging. Ansonsten: Spiele zum Vergessen.