LeserInnenbriefe:
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Die veröffentlichten Briefe geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion wieder.
Fische fürs Schwimmen bezahlen!
betr.: „Die scheinheilige Wohlfühlallianz“, taz vom 7. 6. 17
Könnte Ihr Redaktionskollektiv nicht noch weiter über Heike Holdinghausens Artikel zum Thema „Scheinheiligkeiten“ nachdenken?
„Geld regiert die Welt“ – wenn das so ist, könnte für jedes ungeborene Leben doch eine Art Rente gezahlt, für jeden nicht gefangenen Fisch der „Kaufpreis“ gegeben werden.
Wie das gehen könnte und welche Implikationen dies erfordert, ließe sich vielleicht durch einen Forschungsantrag geeigneter Personen durch Germany oder die EU finanzieren? Einen Versuch wäre es wohl wert, man denke unter anderem „nur“ an die Publikationen des Club of Rome seit etwa 1970.
Ihr KLAUS BÄTJER, Hagen
Internet und Privatsphäre
betr.: „Das Internet ist schuld“, taz vom 6. 6. 17
Wir sollten aufhören, die Sache mit dem Internet vom „stinkenden Fischkopf“ her zu denken. Denn Opfer und Täter fühlen sich wohl meist in ihren Persönlichkeitsrechten verletzt. Hat die Ebene, auf der wir netzwerken, nicht schon lange alle intimsten Bereiche erfasst? In den Büchern zum Thema, angefangen von der „Filter-Bubble“ über die „Granulare Gesellschaft“ und „Die Herrschaftsformel“, wird deutlich, dass die Art des Datenaustauschs heute so tief in die Privatsphäre eindringt, dass jemand, der darauf vor 20 Jahren hingewiesen hätte, als ein Fall für die Psychiatrie gegolten hätte. In anderen Fällen der Internetkriminalität (außer Terror), nämlich Liveübertragung von Mord, Vergewaltigung und „Bullying“, wird deutlich, dass eigentlich der Eingriff in die Persönlichkeitssphäre das Problem ist. Die granulare Netzwerktechnologie ermöglicht die absolut differenzierte Beurteilung und somit auch möglicherweise Isolation der Verdächtigen. In Anbetracht der Möglichkeit, auch prominente „Schlüsselpersönlichkeiten“ granular (höchst differenziert) zu überwachen, ist die gesetzliche Regelung eben dieses privaten Eindringens in die Privatsphäre nun messbar, aber immer noch das vordringlichere Problem vor der Zensur. Die Zensur ist nur die Folge. Die Ursachen sind doch in der Person, in den Feldern der vernetzten Welt zu suchen. Darum brauchen wir viel dringender eine gesetzliche Regelung (und zuallererst eine Debatte), inwieweit und wie differenziert die Vernetzung in unser Leben eindringen darf. Zensur ist gestern – hoch differenzierte Gesellschaft ist heute. CHRISTIAN KOLLMEYER, Osnabrück
Flüchtlingshelfer und Salonlinke?
betr.: Leserbrief zu „Mein Flüchtling und ich“, taz vom 27. / 28. 6. 17
Sehr geehrter Herr Steuer, in Ihrem Leserbrief verorten Sie Herrn Koch in der „versponnenen, geradezu invers rassistischen Denkwelt eines nicht geringen Teils der Unterstützungsszene“, um ihm dann zum Schluss Ihres Beitrags noch einmal mit der Rassismuskeule kräftig eins auf die Rübe zu geben, indem Sie ihm unterstellen, dass blonde Haare in seinem Abfluss ihn vermeintlich nicht so gestört hätten wie die fremdartigen schwarzen.
Nun, Herrn Koch kenne ich nicht, ich kann nur sagen, dass ich seinen Artikel als einen ganz anderen gelesen habe: Er beschreibt öffentlich sein eigenes persönliches Scheitern, setzt sich auseinander mit seinen Fehlern, und es wird – so zeigen es auch die übrigen Leserbriefe – mehr als deutlich, dass so manche Hilfe von privaten Unterstützern nicht geleistet werden kann, dass professionalisierte beziehungsweise institutionalisierte Unterstützung sowohl der Flüchtlinge als auch ihrer mitunter hilflosen Helfer fehlt.
Ich schlage Ihnen vor, selbst in der „Unterstützungsszene“ aktiv zu werden, anstatt oberlehrerhaft Menschen zu kritisieren, die die Ärmel hochkrempeln und schuften, während die Salonlinken sich darüber Gedanken machen, ob es nun „Flüchtlinge“ oder eher doch politisch korrekter „Geflüchtete“ heißen sollte.
Sie haben kein Recht, zu polemisieren über die „schröckliche Wirklichkeit“, die manche von uns Helfenden erfahren, solange Sie selbst keine Ahnung haben von der Innenwelt der Unterstützerszene. Lassen Sie uns unsere Erfahrungen machen und wachsen dadurch, es handelt sich hier nicht um einen Lehrberuf! Die Flüchtlinge zeigen uns, ob wir es gut machen oder nicht, Ihnen steht es nicht zu, darüber mit solcher Schärfe zu urteilen.
KATHRIN KELLER, Gau-Bischofsheim
Achtung, Privatisierung von links
betr.: „Auch Linke stimmen zu“, taz vom 3. 6. 17
Linke Regierungssozialisten haben eine neue Rolle gefunden, sie sind unter die politischen Händler gegangen. Sie akzeptieren letztendlich die Grundgesetzänderungen für eine drohende Privatisierung der Infrastruktur für die Neuregelung der Bund-Länder-Finanzierung. Da bleibt der Änderungsantrag beziehungsweise der Ruf nach einer Volksabstimmung nur politische Kosmetik. Als es zum Schwur (zur Abstimmung) kam, haben die linken Regierungsvertreter versagt! Dabei übernimmt Bodo Ramelow noch die Rolle eines Oberlehrers, der die Kompetenz der eigenen Bundestagsabgeordneten infrage stellt. Ein erklärtes und im Parteiprogramm manifestiertes Ziel – keine Privatisierung öffentlichen Eigentums – wird nunmehr auf dem Altar der Macht geopfert. Dieser Kotau vor den herrschenden politischen Verhältnissen und Parteien ist unerträglich und offenbart eine nicht geringe Gewissenlosigkeit in der Wahl der Mittel. Unter den gegebenen politischen Bedingungen beginnen Veränderungen aber nur mit einer klaren und starken Opposition.
RAIMON BRETE, Chemnitz
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