LeserInnenbriefe:
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Morbus Wagenknecht
betr.: „Macron, Président!“, taz vom 6. 5. 17
Ich habe eure Berichterstattung mit großem Vergnügen gelesen, jedenfalls die Reportagen und Stimmungsbilder aus Frankreich, die es mir ermöglichten, mich über die Situation in Frankreich zu informieren. Der Kommentar von Peter Unfried verdirbt mir allerdings, wie meistens, das Frühstück. Diese Mischung aus Arroganz, Besserwisserei, guter Laune und gnadenlosem Opportunismus, mit der Unfried jeden lächerlich macht und moralisch abstraft, der aus der Beobachtung der Umstände in Europa andere Schlüsse zieht als er selbst – mich erschüttert so etwas.
Zigtausende Tote im Mittelmeer, Zusammenbruch der Ökosysteme, soziale Spaltung, Dauerkriegsführung zur Verteidigung unserer Lebensweise, Austerität als Staatsraison. Alles nur „Herausforderungen für eine gute Zukunft“. Auf keinen Fall Folgen einer falschen Politik, auf keinen Fall sind wir Zauberlehrlinge, wer Gutes will, der schafft auch Gutes. Denkt Unfried. Wer nicht bereit ist, radikal und am besten noch radikaler so weiterzumachen wie bisher, ist dumm, alt und verbittert. Wer Partei für die falschen sozialen Milieus ergreift, hat Morbus Wagenknecht. Und wenn sich diese kranken Menschen dann nicht vorbehaltlos hinter eine Gestalt wir Macron stellen, sind sie Steigbügelhalter der Faschisten.
Leute. Ja, eure, unsere Zeit läuft ab. Was danach kommt, wird vermutlich nicht schön, für niemanden. Ihr müsst euch aber nicht wundern, dass es auch bei uns keine republikanische Front geben wird, wenn die Rechte erstarkt. Menschen, denen ihr eure Verachtung und Gleichgültigkeit entgegenschleudert, marschieren eben nicht „neu sortiert“ vor, nicht hinter und auch nicht neben euch. Sondern entgegen. RALF ALBERS, Hamburg
Abgeschafft: das Recht auf Asyl
betr.: „Heim ins Heim“, taz vom 5. 5. 17
Es sei, so ist zu lesen, ein Einfall des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (Bamf), auch unbegleitete minderjährige Flüchtlinge aus Marokko dorthin abzuschieben, um sie in Heimen unterzubringen und damit an einer erneuten Flucht nach Europa zu hindern. Diese Initiative des Bamf zeigt, wofür das Ministerium tatsächlich steht: Abschrecken, Abschieben und Verhindern von Zuwanderung. Die Weigerung, Flüchtlingen, die nach Europa gelangen, Aufnahme, Schutz und die nötige Hilfe bei der Integration zukommen zu lassen, spottet jeder Humanität. Die Frage, was eine erneute Entwurzelung mit Menschen, erst recht mit Jugendlichen, macht, scheint gar nicht gestellt zu werden. Und: Auch wenn es sich um straffällig gewordene Menschen handeln sollte, die abgeschoben werden, ist doch festzuhalten: Es handelt sich um Menschen, die hier in Deutschland straffällig geworden sind. Entsprechend haben sie sich hier zu verantworten.
Doch was für straffällig gewordene deutsche Jugendliche aus Einsparungsgründen gegen null zurückgefahren wurde, soll straffällig gewordenen Flüchtlingen erst recht nicht zuteil werden: Maßnahmen, die der (Re-)Sozialisierung dienen. Stattdessen soll bei ihnen zur Anwendung kommen, was man mit Jugendlichen deutscher Staatsbürgerschaft (leider?) nicht machen kann: sie verschwinden lassen!
Auch wenn wortreich von „Fluchtursachen-Bekämpfung“ die Rede ist – faktisch ist bis heute keine einzige Fluchtursache minimiert, geschweige denn abgeschafft worden. Abgeschafft wurde inzwischen einzig das im Grundgesetz festgeschriebene Recht auf Asyl. Und während Bürger*innen, haupt- oder ehrenamtlich, unaufgeregt, unter großem Einsatz von Zeit und Kraft Flüchtlinge begleiten zu Ämtern und Behörden oder zum Arzt, ihnen helfen, Deutsch zu lernen, einen Ausbildungsplatz zu finden, für Kinder einen Platz in Kita oder Schule und mit ihnen Feste feiern etc., wird von politischer Seite rechter Populismus bedient, anscheinend in der Hoffnung, dass es endlich gelinge, die Offenheit für die hier lebenden Flüchtlinge in eine allgemeine Ablehnung zu verkehren. GISELA-INGRID WEISSINGER, Dortmund
Im Mantel der Barmherzigkeit
betr.: „Heim ins Heim“, taz vom 5. 5. 17
Dass die Republik Außenstellen betreibt, liegt circa 100 Jahre in der Vergangenheit, damals noch das Reich. Rentabel oder moralisch korrekt war das nicht. Im 21. Jahrhundert ein neuer Versuch, ohne Hoheitsgebiet, dafür auch im Mantel des barmherzigen Samariters. Freiwillig oder weil böse fliegt der marokkanische Junge zurück ins Heimatland, dort darf er sich im Heim konzentrieren. Natürlich auf Schule und Ausbildung in pädagogisch korrekter Atmosphäre. Deutscher Grund bleibt verschont und NGOs kassieren Subventionen. Nichts Neues und der Westen ist glücklich. Der kleine Junge aber …darf sich natürlich auch äußerst glücklich schätzen, im warmen Mantel der Republik Obhut gefunden zu haben. Salam auf Wiedersehen! JAKOB WILL, Leipzig
Alles ziemlich fromme Christen
betr.: „Wir nehmen nur Deutsche“, taz.leipzig vom 5. 5. 17
Ganz so groß kann die Not des Handwerks noch nicht sein, wenn einem auf Anfrage bei einem der genannten Betriebe gesagt wird: „Wir nehmen nur Deutsche.“ Als Betreuer einiger afrikanischer Flüchtlinge, die topmotiviert, handwerklich geschickt und von uns mit einer intensiven schulischen Grundbildung versehen sind, kann ich mich über die Kurzsichtigkeit solcher Handwerksbetriebe nur wundern. Wer jetzt einen von unseren Jungs einstellt, der hat später die Nase vorn. Oder ist die Angst vor der Überfremdung (ausgerechnet in Sachsen) so groß? Übrigens sind das alles ziemlich fromme Christen! Aber halt schwarz. WOLFGANG EHLE, Kassel
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