LeserInnenbriefe:
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Bekanntes Verhängnis
betr.: „Rechte beschwören die Nationen“, „Ich mache, was ich will“, taz vom 23. 1. 17
Das Drama geht voran. Die Rechte macht einen Europa-Gipfel, die Scheiße unisono.
Trump geißelt das Establishment, die haben nur sich selbst bereichert. Das ist doch eine Parole der 68er und sie stimmt heute mehr denn je. Ist es in Europa anders? Und alle etablierten Parteien sind darin so involviert, dass kein Befreiungsschlag gegen die neue Rechte und alle vereinend auch nur in Sicht ist. Da nützt es nichts, dass alle Kritik an der neuen Rechten und an Trump und am Brexit zutrifft, alle Demokraten zu vereinen scheint. Denn diese Kritik trifft die Neue Rechte nicht, weil deren Erfolg eine tief greifende soziale Verwerfung zu Grunde liegt, die zu viele Menschen abgehängt hat.
Und in Europa ist vor allem in der Europapolitik eine solche Abkehr von der Demokratie, eine solche Arroganz der Macht vorangeschritten, dass immer mehr Menschen nicht mehr wahrnehmen können, dass Europa ein Projekt für alle und von allen Europäern ist.
Dass die europäische Jugend europäisch denkt und für Europa ist, ja, sich kein anderes Leben mehr vorstellen kann, bedeutet nicht, dass sie sich mit der europäischen Politik und den europäischen Institutionen identifizieren könnte bei so wenig Beteiligungsmöglichkeit und einer Jugendarbeitslosigkeit, an der die europäische Politik vorbeigeht, beziehungsweise mit von dieser verursacht ist.
Gregor Gysi von der Linken ist einer der wenigen, die diese Problematik wirklich anpacken, ansonsten ist die Linke von den Sozialdemokraten über die Grünen bis zu der Linken ein Haufen von unmutigen Opportunisten und falschen und richtigen Meinungen. Aber Gysi genügt nicht.
Mit einem sozialen und solidarischen demokratischen Europa gäbe es die neue Rechte nicht oder nur marginal. Auch eine beherzte offene Flüchtlingspolitik kann gelingen, wenn das soziale und demokratische Fundament stimmt.
Aber die Kräfte, die sich vereinen müssten, sind entweder zu beschädigt und involviert oder, vor allem auf der Linken, sind ihnen die interessanten Differenzen und wichtigen Unterscheidungen wichtiger. Als ob dies Verhängnis nicht allzu sehr bekannt wäre. BURKHART BRAUNBEHRENS, Ebertsheim
Boden für die AfD
betr.: „Schleswig-Holstein fordert Abschiebestopp“,taz vom 24. 1. 17
„Postfaktisch“ und „populistisch“ wären die Begriffe, welche die Bewertung der sogenannten sicheren Herkunftsländer und die daraus folgenden Handlungen durch die neue Abschiebepraxis in einige Länder zutreffend beschreiben würden, unter anderem nach Afghanistan. Hier wird der Boden für die AfD gepflügt.
KLAUS-PETER KLAUNER, Brühl
„Nichts! Was ist das?“
betr.: „Neuer Feiertag: Tag des Nichts“, taz vom 23. 1. 17
Was für eine prächtige Idee, einen Schlunztag ohne politischen oder religiösen Hintergrund einzuführen! Aber ausgerechnet einen „Tag des Nichts“?
Wir Deutschen sind viel zu sehr ein Volk der Dichter und Denker, als dass wir uns nicht den ganzen lieben langen Schlunztag quälend das Hirn über der Frage zermartern würden: „Nichts! Was ist das?“ Erholung und gute Laune ausgeschlossen! Und außerdem bringt eine nur kurze Recherche ans Licht, dass so, wie der Verfasser sich diesen Tag vorstellt, es eigentlich den Griechen gebührt, einen solchen Tag zu feiern. Jahrhunderte bevor Nietzsche in „Die fröhliche Wissenschaft“ über Nihilismus, auch über Muße und Müßiggang sich ausließ, huldigten sie der Aergia (Göttin des Müßiggangs) oder Dionysos, den ich mal als Gott des angestrengten Müßiggangs bezeichnen möchte.
Andererseits sind es heute die Angelsachsen, die den gleich mehrmals im Jahr (!) gefeierten Bank Holiday für sich usurpiert haben, obwohl Deutschland mit den Fuggern und Welsern altehrwürdige Bankernamen aus einer Zeit ins Feld führen kann, als Amerika und Australien noch nicht einmal so richtig entdeckt waren. Aber gut, noch früher waren die Florentiner und vor ihnen die mesopotamischen Araber.
Über solche Nichtigkeiten braucht man keinen Streit vom Zaun zu brechen. Stehen doch noch genügend andere Lichtgestalten aus der Wirtschaftswelt zur Verfügung, die einen nationalen Feiertag begründen können. Wie wäre es mit einem Rudolf-Diesel-Tag? Weltweit werden heute Autos mit nach dem von ihm erfundenen Prinzip angetrieben. Nach den jüngsten Vorfällen um VW & Co. könnte man sogar überlegen, ihn an Stelle des Buß- und Bet- oder auch des Volkstrauertags zu setzen. Und wie wunderbar würde er als solcher kontrastieren mit dem Flocken-Tag, benannt nach Andreas Flocken, der 1888 das erste nachweisbare (vierrädrige) Elektroauto der Welt gebaut haben soll.
Ich wäre dafür, dass an beiden Tagen keine Autos fahren sollen, so wie ja auch am Bank Holiday alle Banken geschlossen sind, und außerdem wäre der Tag dann, zumindest für deutsche Verhältnisse, auch so etwas wie ein „Tag des Nichts“.
TORSTEN STEINBERG, Porta Westfalica
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