LeserInnenbriefe:
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Fakten verändern
betr.: „Wie böse ist Monsanto?“, taz vom 15. 10. 16
Jost Maurin schrieb seinen Artikel schon vor dem Wochenende. Als Teilnehmerin des Monsanto-Tribunals in Den Haag sähe ich gern einige zusätzliche Argumente bewertet. Einer der wichtigsten Fakten: Es braucht Wege, Konzerne für Schäden an Mensch und Umwelt zur Verantwortung ziehen zu können. Welche Schicksale und langfristigen Folgen hinter der „Externalisierung von Kosten“ stehen, wird viel zu oft mit einem Schulterzucken hingenommen. Es spricht nicht für Monsanto, das ganze Tribunal als „Parodie“ zu bezeichnen. Einen vielversprechenden Faktencheck lieferte dazu der Internationale Menschengerichtshof selbst, der Ende September verlauten ließ, künftig auch nach dem Handeln von Konzernen schauen und schwere Umweltschäden zum Anlass für Klagen nehmen zu wollen.
Der Disput, ob Glyphosat „wahrscheinlich Krebs erregend“ ist oder weniger wahrscheinlich, lässt sich in wenigen Worten umreißen. Das Tribunal war der Ort, Menschen hinter der Frage zu Wort kommen zu lassen. Einer der Zeugen, der selbst furchtbare Jahre mit Angst, Schmerz und Chemotherapie hinter sich hatte, meinte, der Tabakindustrie sei es auch eine sehr lange Zeit gelungen, die Gefahr des Rauchens herunterzuspielen. Ein Rechtsanwalt aus Argentinien leistet mit einem Netzwerk aus Umwelt-Anwälten akribische Detektivarbeit, um Studien und Beweise zu Vergiftungen zu sammeln. Nach seiner Erfahrung beginnt mit der Erkrankung für die Betroffenen eine Odyssee über Ärzte und Anwälte – es dauert oft zwanzig Jahre, bis es zu einem Urteil kommt. Ergänzt werden könnten künftige Faktenchecks zum Beispiel auch um andere Wirkungen des omnipräsenten Gifts. So berichtete eine Tierärztin aus Deutschland, dass das Immunsystem von Kühen leide, weil Glyphosat eine antimikrobakterielle Wirkung hat und einige lebenswichtige Einzeller im Darmtrakt zerstört, während einige schädliche Mikroben widerstandsfähiger sind und überleben. Die Medizinerin arbeitet inzwischen seit fast drei Jahrzehnten an Krankheitsbildern im Kuhstall, die es nach Monsanto überhaupt nicht geben dürfte.
Und wer checkt die Fakten, ob die Umkehr der Beweispflicht eine Strategie sein könnte? Heute haben die Chemiekonzerne weit mehr Daten, als sie veröffentlichen müssen. Sie besitzen leistungsstarke Labore, während die meisten Erkrankten finanziell und wissenschaftlich überfordert sind. Und dann wäre da noch das Thema Zulassungsverfahren. Die Hersteller von Pestiziden pflegen enge Kontakte zu Entscheidern, Behörden und Wissenschaftlern. Ein Mitarbeiter des kanadischen Gesundheitsministeriums berichtete, wie massiv ihn die eigene Behörde bremste und immer wieder neu versuchte, strenge Auflagen für oder Ablehnungen von Wirkstoffen zu unterdrücken. Ich freue mich auf weitere Faktenchecks – und viele Menschen, die helfen, Fakten für die Zukunft zu verändern. JUTTA SUNDERMANN, Dörverden
„Frauschaft“ oder „Team“
betr.: „Es tut sich was“, taz vom 15. 10. 16
Als Radfahrerin bin ich über den Artikel von Tom Mustroph zur Weltmeisterschaft in Katar gestolpert und musste feststellen, dass sich da auch „noch was tun muss“ in der Schreibweise des Autors. Schön wäre, wenn endlich mal das scheinbar unersetzbare Wort „Mannschaft“ im Zusammenhang mit Frauenteamsport nicht mehr auftauchen würde; ich erinnere an die so einfache und richtige Alternative „Frauschaft“ oder schlicht: „Team“. Bei „Team“ wären wir auch gleich fein raus aus dem konstruierten Geschlechterdualismus. Somit hätte sich doch auch hier „schon wieder was getan“ – professionell und in der Breite!
KATHY CZAJA, Düsseldorf
Verklärte Vergangenheit
betr.: „Befreiung unerwünscht“ von Deborah Feldmann,taz vom 15. 10. 16
Mit Interesse habe ich diesen Artikel gelesen. Das Thema der Gleichheit der Geschlechter wird wohl noch viele Generationen beschäftigen. Und im Moment sieht es so aus, als ob viele Menschen in den als demokratisch benannten Staaten zurück in eine verklärte Vergangenheit wollen. Andere, in anderen Staaten, wollen das gewaltsam durchdrücken.
Wir Frauen im Westen haben bereits einiges erreicht. Aber auch hier gibt es Frauen, die zurückwollen zu einem echten „Deutschtum“. Es ist beängstigend, was auf der Welt vorgeht.
Frau Feldmann verlangt nicht zu viel. Wir müssen für unsere Rechte weiterkämpfen. UNDINE MIX-FALTER, Simmerath
Wendland ausgraben
betr.: „Was dort begraben liegt“, taz vom 14. 10. 16
„Ausgrabungen in der Republik Freies Wendland“ ließ mich schmunzeln. Ich war selbst ein paar Tage dort, aber diene nicht als Zeitzeuge. Dafür bin ich zu vergesslich. Doch glücklicherweise gab es ja auch damals schon viele Chronisten und den genialen Fotografen Günter Zint, der Hunderte, wenn nicht Tausende von Fotos schoss. 333 davon sind neben 220 weiteren in dem im August 1980 beim Verlag 2001 erschienenen Band „Republik Freies Wendland“ enthalten mit sehr vielen Berichten und Dokumentationen. Dieser Band müsste dem potenziellen Ausgraber doch bekannt sein? Auf Seite 131 ist ein Bild des Camps und in der losen Beilage ein Luftbild des gesamten Camps (LA/Hbg 221/80). Ich schlage mit Augenzwinkern Atilla Dészi vor: erst graben, Zeitzeugen aus dem Gedächtnis Skizzen zeichnen lassen, dann das Dorf rekonstruieren und danach mit dem Luftbild des kompletten Dorfs vergleichen, ob er richtig lag.
STEPHAN KRALL, Kronberg
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