LeserInnenbriefe:
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Ein Erfolg?
betr.: „Grüner wird‘s nicht“, taz vom 14. 12. 15
Ich kann mich über die Ergebnisse der UN-Klimakonferenz in Paris nicht so richtig freuen, leider. Die Treibhausemissionen haben bereits eine gefährliche Grenze überschritten, die Zerstörung der Naturräume schreitet voran ... Die Temperaturen werden in den kommenden Jahrzehnten weiter steigen und die Klimakatastrophen zunehmen, trotz Paris. Wahrscheinlich haben wir die Chance, eine Temperaturerhöhung unter 2 Grad halten zu können, bereits verpasst, so einige Klimaexperten. In den letzten Jahrzehnten haben viele Akteure, die nun in Paris saßen, alles andere als nachhaltig gehandelt. Selbst in Deutschland tut man sich mit dem Kohlenausstieg sehr schwer, und die mächtige Autoindustrie gilt nicht wirklich als klimafreundlich.
In der internationalen Politik dominierte bisher ein Denken, das sich an der neoliberalen Globalisierung und an Dogmen wie Wachstum orientiert. Glaubt man wirklich, dass Nachhaltigkeit „neben“ oder sogar „in“ diesem System verwirklicht werden kann? Ist in Paris wirklich ein Systemwechsel beschlossen worden, der auch die Wirtschaftspolitik radikal ändern wird?
Spätestens seit der Finanzkrise und seit dem Scheitern der Klimakonferenz in Kopenhagen haben die internationalen Institutionen und die Regierungsgemeinschaft ein gravierendes Legitimierungsproblem. Sie konnten sich ein weiteres Scheitern nicht mehr leisten und mussten in Paris unbedingt überzeugende Ergebnisse liefern. Allein ein Vertrag aus Papier wird jedoch weder den Klimawandel stoppen noch die Energiewende realisieren können. Ich bin nun auf die Taten und die weiteren Entwicklungen gespannt.
Der „Erfolg“ von Paris sollte nicht zu einer Neulegitimierung der Top-down-Strategien (einer Politik von oben nach unten) führen. Im Gegenteil sollte der Druck von unten nach oben nicht nur aufrechterhalten werden, sondern zunehmen, denn nun müssen radikale Veränderungen in den verschiedenen Staaten tatsächlich umgesetzt werden. So oder so lässt sich der Wandel nur lokal realisieren, da, wo Menschen tatsächlich leben, produzieren und konsumieren; wo Betriebe Strom erzeugen und große Flughäfen weitergebaut werden. Die Transformation braucht weiterhin lokale Pioniere und Zugpferde.
Ich würde mich sehr freuen, wenn Paris ein erster Schritt zu einer neuen internationalen Politik wäre, in der Klimaschutz und Erdrettung einen ähnlichen Status genießen wie zum Beispiel die Finanzmärkte bisher. DAVIDE BROCCHI, Köln
Abgrenzung von der CDU
betr.: „Jetzt erst recht“, taz vom 14. 12. 15
Die SPD möchte wieder den Kanzler stellen? Dann sollte sie schnell ein alternatives Regierungsprogramm auf die Beine stellen, die ein breites Mitte-links-Publikum anspricht und sich von der CDU stark abgrenzt.
Zu einem solchen Regierungsprogramm gehört nach meiner Einschätzung auch eine alternative Energiegewinnung, die auf die Basis der erneuerbaren Energien umgestellt wird und ganz auf die Kohlekraft verzichtet. Sie sollte sich das Klimaabkommen von Paris zu eigen machen und die Kohlekraft ganz abschalten.Wir haben die Intelligenz und die Stromkapazitäten, ganz auf die erneuerbaren Energien umzustellen.
Wir sollten auch als Zivilgesellschaft den Mut haben, hier selbst der Politik das Fehlverhalten vor Augen zu führen und notfalls mit Blockadeaktionen vor Kraftwerken auch mit Unterstützung der Umweltverbände zu reagieren.
MARTIN BRÖHMER, Iserlohn
Das grenzt an Zynismus
betr.: „Eine sehr pragmatische Politik“, taz vom 15. 12. 15
Wenn Kanzlerin Merkel mit Verweis auf ihre Christlich Demokratische Union verkündet, Deutschland könne sich nicht abschotten, dann verbirgt sich dahinter, dass sie nun das Abschotten von anderen erledigen lässt. Abschottung ist also doch eine „vernünftige Option“, wenn dies nämlich vom türkischen Präsidenten veranlasst wird, dem weder Menschenrechte noch sonstige demokratischen Errungenschaften am Herzen liegen; der nun erst gar keine Flüchtlinge mehr in sein Land lässt, sondern sie an der Grenze wieder ins Kriegsgebiet zurückschickt, und der Flüchtlinge daran hindert, mit dem Boot auf eine griechische Insel zu gelangen. Die Verhältnisse in der Türkei sind aber für die Flüchtlinge desaströs: sie dürfen nicht arbeiten, die Kinder können nicht in die Schule gehen, und eine menschenwürdige Versorgung ist wohl auch noch nicht in Sicht. Das Schicksal der Flüchtlinge aus Syrien und Afghanistan ist dann der Vorsitzenden der Partei mit dem C bei solcher pragmatischen Politik weniger wichtig. Das grenzt schon an Zynismus.
HELGA SCHNEIDER-LUDORFF, Oberursel
Frei und offen?
betr.: „Große Gefühle in Karlsruhe“, taz vom 14. 12. 15
Frau Klöckner will also ein „Integrationspflichtgesetz“. Reicht es nicht, wenn sich die Menschen einfach nur an unsere Gesetze halten? Glückwunsch zum angestrebten Verbot der Vollverschleierung – besser kann sich „unsere freie und offene Gesellschaft“ gar nicht also solche darstellen als damit, den Leuten vorzuschreiben, wie sie sich zu kleiden haben!
INGRID GORDON-SAGEMÜHL, Bergisch-Gladbach
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