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LeserInnenbriefe

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Die veröffentlichten Briefe geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion wieder.

„Coffee, pay, sit, okay!“

betr.: „Umzingelt von Volksfeinden“, taz vom 21. 10. 15

Vier Grad und Nieselregen. Am Fernbahnhof des Frankfurter Flughafens steige ich in den ICE 109; meine Destination: Mannheim. Nur schwerlich kann ich meinen Rucksack samt Isomatte und Zelt in das Gepäckregal zwängen; der Zug ist nämlich voll. Und en plus 20 Minuten verspätet. Ich setze mich auf den nächsten freien Platz. Was ich zu diesem Zeitpunkt nicht weiß: Ich sitze in einem dem Bordbistro zugehörigen Wagenabschnitt. Ich bin vor einer Stunde gelandet und packe meine Brezel zum Verzehr gleich aus meiner Tasche.

Plötzlich tippt eine Mitarbeiterin des Bordpersonals vehement auf den Tisch vor mir, ich bemerke das Menü des Restaurants darauf. „This Restaurant! No eating! No!“, wird sie nun noch eine halbe Minute wie ein Mantra vor sich her sagen. Ich denke mir, dass auf dieser Strecke öfter internationale Menschen fahren und sie wohl auch viele andere auf Englisch anspricht; an meiner Hautfarbe wird es wohl nicht liegen (ha!). Ich antworte: „Ah okay!“, und verstaue die Brezel in meiner Tasche.

Die Dame muss sich sicher gewesen sein: Wer dermaßen abendländische Traditionen bricht und in Restaurants sein eigens mitgebrachtes Essen isst, der kann gar nicht von hier sein. Und deswegen versucht sie mir noch mal das Konzept Restaurant näherzubringen: „Coffee, pay, sit, okay!“ Ich nicke. Sie wiederholt sich – immer wieder, immer langsamer. Währenddessen überlege ich, ob sie wohl immer so fragmentarisch Englisch spricht. „Sie können auch gerne Deutsch mit mir sprechen“, unterbreche ich ihren, nennen wir es, Integrationsversuch. Der Mitreisende, der mir gegenübersitzt, lugt hinter seiner Süddeutschen hervor, er scheint genauso peinlich berührt wie ich. Die Mitarbeiterin unterbricht ihr englisches Intermezzo und schaut mich verdutzt an: Das könne Sie doch nicht wissen, dass ich Deutsch spreche. Wie recht Sie hat, denke ich mir. Ich sehe ja schließlich auch nicht deutsch aus. Willkommen daheim.

Ich lebe seit 22 Jahren in diesem Land. So zu tun, als hätte mich diese kleine rassistische Lappalie empört oder überrascht, wäre falsch. Das widerfährt mir oft. So wie es vielen anderen auch regelmäßig widerfährt. Wenn ich früher aber noch mein Unwohlsein darüber weggeschmunzelt habe, um es zu relativieren, so macht es mich in Anbetracht der aktuellen Lage und der Umfragewerte für die AfD wütend; es greift mich an. In der aktuellen Flüchtlingsdebatte scheinen einige zu vergessen, dass es auch vor 2015 bereits Menschen in Deutschland gab, die jenseits der Alpen einst beheimatet waren. Der Deutsche ist nun mal nicht blond und blauäugig. Er war es auch noch nie.

Man schämt sich ja selbst in gewisser Weise für diese Erfahrungen, sodass man sie am besten schnell vergisst. Das Schlimme am Alltagsrassismus ist, dass er alltäglich ist. Die Gewöhnung an ihn macht Rassismus zur Normalität. Ich möchte das nicht und halte es daher mit den Worten von Anja Reschke: Dagegenhalten, Mund aufmachen, Haltung zeigen, öffentlich an den Pranger stellen. Und auch wenn es sehr schwer sein kann: Es ist notwendig, sich nicht zu genieren für die eigene erlebte Diskriminierung. Sie ist sehr gewiss der Rede wert. OZAN SOLMUS, Mainz

Scheinselbstständig für den Bund

betr.: „Schule schlägt Volkshochschule“, taz vom 23. 10. 15

Endlich ein Beitrag in der taz zum Thema Deutschkurse für Erwachsene! Leider geht Ralf Pauli hierbei nicht näher auf die seit Jahren unhaltbaren Arbeitsbedingungen der akademisch gebildeten Lehrkräfte für Deutsch als Fremdsprache in Integrationskursen ein. Wir arbeiten im Auftrag des Bundes, ohne dass dieser die Arbeitgeberbeiträge für Kranken- und Rentenversicherung übernimmt, ohne Lohnfortzahlung bei Krankheit und Urlaub. So sehen heutzutage staatlich finanzierte Arbeitsplätze aus! Scheinselbstständigkeit im Auftrag des Bundes!

Nun setzt Herr Weise, der sowohl dem BAMF, das die Integrationskurse koordiniert, als auch der Bundesagentur für Arbeit vorsteht, in den sogenannten neu geschaffenen Flüchtlingskursen die gleichen Arbeitsbedingungen für Lehrkräfte fort.

Man sollte doch meinen, dass dieser Herr weiß, was sozialversicherungspflichtige Arbeitsverträge sind!

Stattdessen setzt die Bundesregierung auf Dumpinghonorare für Deutschlehrkräfte, Pensionäre und Ehrenamtler. Aber Integration hat ihren Preis und die Bundesregierung soll diesen endlich bezahlen! Deshalb fordern wir bei unserer NRW-weiten Demonstration in Köln am 27. 10. 2015 Festanstellungen und eine Bezahlung entsprechend der von BerufsschullehrerInnen! MONIKA STRAUSS-ROLKE, Bonn

Crazy Diamond

betr.: „Hey, teachers! Don’t leave them kids alone“, taz vom 23. 10. 15

Das Erste, was ich heute morgen las, als ich die taz aus dem Briefkasten nahm, war „Asterix: Shine on your crazy diamond“ und nach kurzem Scannen der Titelseite sah ich überall Überschriften mit Songtiteln von Pink Floyd. Da habe ich dann gleich die passende Musik zu gehört. Danke dafür und für die unterhaltsame Bundesligatabelle mit ständig wechselnder Jahreszahl vor dem Kraichgauer Traditionsverein, der ja nach eigenen Angaben älter ist als der nun nicht mehr aufgeführte Rekordmeister. Mein größtes Dankeschön aber dafür, dass ihr auf taz.Fluchthilfe standhaft bleibt, während andere Medien den Ton ändern, je nachdem was gerade die Mehrheitsmeinung in diesem Land zu sein scheint. AXEL SCHULT

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