LeserInnenbriefe:
taz.die tageszeitung | Rudi-Dutschke-Str. 23 | 10969 Berlin
briefe@taz.de | www.taz.de/Zeitung
Die Redaktion behält sich Abdruck und Kürzen von Leserbriefen vor.
Die veröffentlichten Briefe geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion wieder.
Angriff auf die Freiheit
betr.: „Gegen den linken Größenwahn“, taz vom 9. 10. 15
Die Ablehnung einer Asylsuchenden-Obergrenze als „linken Größenwahn“ zu bezeichnen empfinde ich als äußerst unpassend – eine Obergrenze für die Aufnahme Geflüchteter als moralisch vertretbar darzustellen, das ist dagegen tatsächlich wahnsinnig. Deutschland gibt immer noch jedes Jahr Millionenbeträge für Rüstung, neue Autobahnen und ähnlichen Unsinn aus, während Konzerne Steuerflucht betreiben oder sogar finanziell begünstigt werden und die reichsten 10 Prozent der hier lebenden Menschen über 90 Prozent des Vermögens verfügen, ohne durch einen erhöhten Spitzensteuersatz belastet zu werden. Dieses Land ist durchaus finanziell in der Lage, weitaus mehr Menschen aufzunehmen, als es das momentan tut, wenn es den nötigen politischen Willen dazu gäbe. Auch ist die Forderung nach einer Obergrenze ein Angriff auf die Freiheit des und der Einzelnen: Jeder Mensch sollte selbst und ohne staatlichen Zwang entscheiden können, wo und wie er leben möchte. Vermeintliche Sachzwänge dürfen in derartig elementaren Fragen keine Rolle spielen. Dass die Lage vieler Geflohener durchaus desolat ist und auch andere EU-Staaten ihren Anteil an humanitärer Hilfe leisten müssen, möchte ich dagegen gar nicht bestreiten; dennoch sollten wir weiterhin unser Bestes tun, Menschen hier bestmöglich zu helfen, anstatt per Grenze zu entscheiden, wer an unserem Wohlstand teilhaben darf und wer nicht. Auch gegen die rassistische Hetze von Politiker_innen, Neofaschist_innen und angeblich besorgten Bürger_innen müssen wir entschlossen und gemeinsam vorgehen.
TIM HOFMANN, Halle/Saale
„Entpört euch!“
betr.: „Ein einziges Mittelalterfest“, taz vom 14. 10. 15
Wie wahr! Gäbe es heute doch noch einmal die „Torheit“, die auf dem Marktplatz das Wort ergreift wie zu Zeiten eines Erasmus von Rotterdam. Sie würde nicht nur den „Galgenhumor“ vieler aus dem Kreis der Menge, sondern vor allem ebenso die geflissentlichen Kommentare von denen, die dem Schauspiel auf der Kritikertribüne beiwohnen, geißeln. So hagelt es denn von dort allerorten erbitterte Kommentare, weil es um die hohen Herr- und Damenschaften des Landes geht. Ach wäre doch die Empörung genauso groß, wenn die Häuser derer brennen, die sich soeben dem teutschen Volke beimischen in so unterschiedlicher Farbe, dass das Land droht bunter zu werden. So viele von ihnen sind den Galgentod schon gestorben. Würde die Torheit doch sagen: Entpört euch! und schaut auf die Namenlosen, die dort hängen! HILDEGARD MEIER, Köln
Weibliche Altersarmut
betr.: „Immer mehr SeniorInnen verarmen“, taz vom 13. 10. 15
Im gebärfähigen Alter schwangerschaftsgefährdet, danach aus Arbeitgebersicht zu alt und womöglich mit Kindern zeitlich zu unflexibel: „Frau“ hat auf dem Arbeitsmarkt generell das Nachsehen. Egal ob jung oder alt, mit oder ohne Kinder, vollkommen unabhängig von vorhandener berufsfachlicher Qualifikation und Lebenserfahrung. Solange sich daran auch zukünftig nichts ändert, wird sich das primär weibliche Risiko Altersarmut weiter fortpflanzen. ELGIN FISCHBACH, Leimen
Kann man ihnen trauen?
betr.: „Die neue Linke-Doppelspitze“, taz vom 14. 10. 15
die eine hat ganz in weiß geheiratet und lässt sich gerne im audi a 8 vorfahren – als kommunistische linke; der andere hat – angeblich auf geheiß – eine loyalitätsliste erstellt. kann die parteibasis solchen sozialcharaktären als fraktionsdoppelspitze vertrauen? EBERHARD B. PLÜMPE, Bremen
Der richtige Weg
betr.: „Massen gegen TTIP“, taz vom 12. 10. 15
Wozu brauchen wir Freihandelsabkommen, wo doch der globalisierte Welthandel schon auf hohen Touren läuft? Und wo bleibt die Demokratie angesichts der privaten Schiedsgerichte? Der tiefere Grund der gigantischen Elaborate (zum Beispiel Ceta 1.500 Seiten) ist der Investitionsschutz. Für die Wirtschaft ist es tatsächlich bedrohlich, wenn die wachsenden Konzerngewinne nicht in Form von Investitionen in die Realwirtschaft zurückfließen. Deshalb soll der Staat verklagt werden können, wenn er Investitionen der Konzerne unrentabel macht, indem er Gesetze erlässt, die ihre Gewinne beeinträchtigen. Das ist eiskalte neoliberale Logik, der sich auch die SPD beugt. Also müssen soziale Standards, Umweltstandards, der Verbraucherschutz und die Demokratie in Ketten gelegt werden.
Der richtige Weg wäre, den Teil der riesigen Gewinne, dem nur noch mit unsauberen Mitteln eine rentable Anlage verschafft werden kann, durch Besteuerung in die Wirtschaft zurückzuführen. Stattdessen gab es genau das Gegenteil, den Steuersenkungswettbewerb, um Investitionen anzulocken, und damit das scheue Reh Kapital nicht in andere Länder flieht. Damit führt die Globalisierung nach und nach zur Totalherrschaft des Kapitals. Es sei denn, man bemerkt eines Tages, dass ihm die Staaten gemeinsam sehr wohl die Stirn bieten können, etwa innerhalb der EU. HANS OETTE, Neuenstadt
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen