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LeserInnenbriefe

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Die Redaktion behält sich Abdruck und Kürzen von Leserbriefen vor.

Die veröffentlichten Briefe geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion wieder.

Dürftige Berichterstattung

betr.: „Massen gegen TTIP“, taz vom 12. 10. 15

Das war aber eine ziemlich dürftige Berichterstattung über die TTIP-Demo – der größten Mobilisierung in Deutschland seit sehr langer Zeit! Schade. Und diese rechten Verschwörungsspinner etc. sollten natürlich erwähnt und problematisiert werden, aber vielleicht muss das bei 150.000 bis 250.000 TeilnehmerInnen auch nicht so in den Vordergrund gerückt werden?

MARTIN SCHÜNGEL, Köln

Standards hochhalten

betr.: „Massen gegen TTIP“, taz vom 12. 10. 15

Trotz der sehr eindrucksvollen Demo gegen TTIP vom Wochenende macht die relativ kleine Minderheit der TTIP-Befürworter weiter wie bisher. Weiterhin die Fakten geheimhalten und die Bürger beruhigen mit unverbindlichen Beteuerungen, man versuche unsere Standards hochzuhalten.

Logisch nachvollziehbar ist jedenfalls, dass zahlreiche Standards allein dadurch in Gefahr sind, dass der Sinn und Kern der Freihandels­abkommen TTIP und Ceta vor allem in einer gegenseitigen Anerkennung aller Produktzulassungen liegt, obgleich die Produktsicherheitssysteme auf beiden Kontinenten so verschieden sind, dass sie nur auf Basis von völlig verschiedenen Rechtssystemen funktionieren. Ein Abgleich der Rechtssysteme ist in den Freihandelsabkommen bisher nicht vorgesehen! Der hieraus folgenden Konsequenz sollte aber Rechnung getragen werden.

In der Europäischen Union muss für neue Produkte vor dem Verkauf die Unbedenklichkeit nachgewiesen werden (Vorsorgeprinzip). In den USA wird die Produktsicherheit ohne Unbedenklichkeitsnachweis dadurch sichergestellt, dass die Unternehmen bei Schäden durch ihre Produkte selbst von normalen US-Bürgern auf viele Millionen oder gar Milliarden Dollar verklagt werden können. Dieses US-Nachsorgeprinzip wirkt bei uns jedoch nicht, da durch US-Produkte geschädigte EU-Bürger aufgrund unseres EU-Rechtssystems nur vergleichsweise mickrige Beträge erfolgreich einklagen können. US-Konzerne wäre deshalb dumm, wenn sie als vielleicht riskant erachtete Produkte nicht zuerst an Europäern ausprobieren würden.

Anders herum schützt es eine EU-Mittelstandsfirma nicht vor extrem hohen Schadenersatzklagen in den USA, dass sie für ihr Produkt eine Unbedenklichkeitsprüfung der EU vorweisen kann, wenn der Schaden beispielsweise durch eine nicht den US-Standards genügende Bedienungsanleitung hervorgerufen wurde. Eine Versicherung gegen das in den Vereinigten Staaten extrem hohe Prozessrisiko könnte jedoch viele kleinere EU-Firmen finanziell überfordern. Wenn also die extrem unterschiedlichen Produkthaftungs-Rechtssysteme nicht auch angeglichen werden, geht eine gegenseitige Anerkennung der Produktzulassungen in jedem Fall stets einseitig zu Lasten der EU-Bürger! Logische Konsequenz wäre eine Absenkung vieler bestehender Produkt­sicherheitsstandards für EU-Bürger. RICHARD GEIST, München

Emissionsrückgang stagniert

betr.: Agrarwirtschaft killt Feldvögel“, taz vom 13. 10. 15

Was hat der VW-Abgasskandal mit der Überdüngung der Landschaft zu tun? Mehr als man denkt, denn der Eintrag von Stickstoffverbindungen über die Luft ist nicht zu vernachlässigen. Der Verkehr trägt hier einen Anteil von 40 Prozent bei. Das mag auf massiv überdüngten, landwirtschaftlichen Flächen nicht so sehr ins Gewicht fallen, bei besonders artenreichen, nährstoffarmen Biotopen dafür umso mehr. Die darauf spezialisierten Arten werden von nährstoffliebenden Arten verdrängt. Das gilt für Magerrasen, Moore, oligotrophe Gewässer bis hin zu alpinen Flächen.

Die Emissionen gehen zwar seit der Einführung der geregelten Katalysatoren zurück. Aber seit 2009 stagniert dieser Rückgang: War da nicht was? Wann wurde die manipulierte Software bei und von VW installiert? HERWIG SÜNNEMANN, Hamburg

Verkümmerte Authentizität

betr.: „Das goldene Zeitalter des Pornofilms“, taz vom 14. 10. 15

Gestählte, „in Teilen“ unechte, überästhetisierte Körper, die DarstellerInnen wie Nahkampfmaschinen aussehen lassen, ziehen in den Sexkrieg, stereotype Akrobatik und hämmernde Dumpfheit statt inspirierte Kreativität, gepaart mit frivoler Erotik beim lüsternen Darbieten. Die verhältnismäßig große Natürlichkeit früherer Akteure strahlt rückblickend, neben einer (un-) gehörigen Portion Naivität und Nostalgie freilich, durchaus eine gewisse Sensibilität und Sinnlichkeit aus.

Nun gibt es zweifellos Schlimmeres im Leben als den Verlust des Golden Age im „subkulturellen“ Bereich der Pornografie feststellen zu müssen, aber in der Tat, selbst die genuine Profanität des Obszönen hat sich zu einer immer mehr klinisch sauber geglätteten, zeitlos banalen, allemal seelenlosen, mithin abtörnenden Extravaganz und Exaltiertheit entwickelt. Im Übrigen in einer bemerkenswerten Weise parallel zu vielen anderen, wirklich wichtigen und kostbaren Begleiterscheinungen des Lebens. Das Grundproblem ist dabei die Verkümmerung von Authentizität, die gestauchte Emotionalität, ausgelöst und gesteigert durch unser ständiges Bestreben, analog und digital in Echtzeit präsent sein zu wollen, überall.

Fazit: Erst das Gefühlsechte macht das Leben lebens- und lobenswert. MATTHIAS BARTSCH, Lichtenau-Herbram

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