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LeserInnenbriefe

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Die Redaktion behält sich Abdruck und Kürzen von Leserbriefen vor.

Die veröffentlichten Briefe geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion wieder.

Abschluss mit Augenzwinkern

betr.: „Nachhaltigkeit aus mexikanischer Sicht“, taz vom 16. 9. 15

Der Ausdruck „getrickst“ im Zusammenhang mit diesen du­bio­sen Waffengeschäften ist überaus schmeichelhaft, um nicht zu sagen: verdruckst. Nennen wir es doch einfach beim Namen: Betrug. Von vornherein darauf ausgelegt, es dem deutschen Waffenexporteur an die Hand zu geben, ungeachtet aller Einschränkungen, die deutsche Gesetze und Verordnungen hinsichtlich Waffenausfuhren vorsehen, nach eigenem Gutdünken zu verfahren. Den Grundsatz „Neu für Alt“ haben sich doch offensichtlich ein paar Schlauberger nur ausgedacht, um den Anschein zu erwecken, dass man bei diesem Deal dem Handelspartner unbedingt vertrauen könne. Und der Öffentlichkeit zu suggerieren: Wir haben alles getan, dass kein Missbrauch stattfindet. Die Verantwortlichen auf deutscher Seite konnten sich anscheinend einfach nicht vorstellen, dass die andere Seite den Teufel tun wird und die alten Waffen eins zu eins verschrottet und nicht den größten Teil davon auf dem mexikanischen Markt oder anderswohin verscherbelt. Haben sich die deutschen Genehmigungsbehörden also von den Mexikanern über den Tisch ziehen lassen? Wohl kaum. Ich kann mir gut vorstellen, dass man bei Abschluss dieses Vertrages grinsend und mit einem Augenzwinkern auseinandergegangen ist. GERD WAHLENS, Marl

Wohlstandsthron wackelt

betr.: „Sie steigern das Bruttosozialprodukt“, taz vom 15. 9. 15

Ich teile Ihre Einschätzung, dass die globale und damit die deutsche Wirtschaft auch Ursache von Flucht ist, würde aber dennoch wagen zu behaupten, dass es sich dabei um DEN Hauptgrund für Flucht handelt! Die besagte Wirtschaft ist sicher nicht immer der direkte Grund für Flucht und Elend, indirekt leiten sich jedoch viele Katastrophen davon ab.

Ist es nicht auch entlarvend, dass es „Fair Trade“-Produkte gibt? Daraus lässt sich leicht schließen, dass viele andere Produkte nicht fair gehandelt sind. In meinen Augen eine Kapitulationserklärung dieses globalen Wirtschaftssystems, das auf Egoismus und Einzelinteressen beruht. Der Stärkere gewinnt! Wer möchte denn schon lebenslang ausgebeutet werden? Wohl kaum jemand. Warum wundern sich dann manche, warum so viele Menschen auf der Flucht sind?

Es ist aus meiner Sicht an der Zeit, dass sich alle Menschen als Erdenbürger sehen und versuchen, die heutigen Probleme gemeinsam zu lösen. Dabei ist es auch unumgänglich, über die global extreme Ungleichverteilung von Vermögen zu diskutieren. Oder kann man Milliarden verdienen, ohne Menschen und die Umwelt auszubeuten? Die andere Seite dieser „Bilanz“ sind Abermillionen an Menschen, die zusammen nicht mal einen Bruchteil davon besitzen und hungern müssen! Also: Früher oder später wird es an unserem „Wohlstandsthron“ wackeln. Dabei tut man gut, wenn man nicht allzu hoch fällt. RALF SCHMID, Ulm

Seltsamer Beigeschmack

betr.: „Sie steigern das Bruttosozialprodukt“, taz vom 16. 9. 15

Bei der Ökonomisierung der Flüchtenden bleibt bei mir nicht nur ein seltsamer Beigeschmack. Mal konkret: Ein Mann aus Mittelafrika ist in Deutschland angekommen. Nach der gesamten, langwierigen und bürokratischen Aufnahmeprozedur darf er arbeiten. Am Schlachthof in Wietze wird er eingestellt. Die Hähnchenteile, die in Deutschland schlecht zu verkaufen sind (wir essen dieses Massenfleisch gar nicht, sondern kaufen lieber Hühnerfleisch aus tiergerechter Haltung), werden von dem Mann aus Afrika frisch verpackt. Dann geht das Fleisch gut gekühlt nach Afrika und wird sogar von der EU noch subventioniert. Der Verkauf kann dadurch billiger als die heimische Geflügelware sein. Der afrikanische Markt geht danieder. Wieder sind dort Menschen arbeitslos und machen sich auf den Weg ...

„Mehr Hummus“, „Die Bauern freuen sich über zusätzliche Arbeitskräfte“: In leider sehr wenigen Fällen wird ein Migrant in der Landwirtschaft so beschäftigt oder sogar ausgebildet, dass er damit in seinem Heimatland eine Existenz aufbauen kann. Und es kann passieren, dass die hiesige „Beratung“ ihm nahelegt, auch Soja aus Südamerika zu kaufen.

Beide Möglichkeiten, die hier angerissen sind, stellen das Ende eines schwierigen Anerkennungsprozesses dar. Den hätte ich gern mal aufgeführt und erklärt bekommen. Das wäre für viele, die sich hier für Flüchtlingshilfe fundiert einsetzen wollen, sehr wertvoll. WOLFGANG ELSASSER, Eicklingen

Richtige Themen finden

betr.: „Zu faul fürs Gymnasium“, taz vom 10. 9. 15

Von einem Bildungsforscher hätte ich da mehr Differenzierung erwartet. Mag sein, dass Jungen in Bezug auf viele Inhalte, die Gymnasien vorgeben, eher ablehnend reagieren. Wenn man aber die richtigen Themen findet und ihnen ein anspruchsvolles Ziel vor Augen führen kann, sind Jungen sehr wohl in hohem Maße leistungsfähig und leistungsbereit. Diese Erfahrung habe ich in meiner langen Laufbahn als Bildungspraktiker immer ­wieder machen können. So gesehen liegen die Ursachen von Erfolg und Misserfolg in der Schule vermutlich viel eher darin, dass Schule – pauschal gesprochen – es bis heute noch nicht geschafft hat, Leistungsbereitschaft und Leistungsvermögen besonders von Jungen genügend zu fördern und in ihre Arbeit zu integrieren. HARTMUT GLÄNZEL, Berlin

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