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LeserInnenbriefe

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Die veröffentlichten Briefe geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion wieder.

Vier Ärzte, vier Diagnosen

betr.: „Kranke Kreuze beschäftigen Kliniken“, taz vom 23. 7. 15

Die Antwort auf die Frage, warum so viele Bürger mit Rücken­leiden in die Klinik gehen, dürfte dieselbe sein wie auf die Frage, warum die Deutschen grundsätzlich so viel zum Arzt gehen. Das hat seine Ursache in der inflationär in Deutschland um sich greifenden Sekundenmedizin. Binnen erstaunlich kurzer Zeit spucken inzwischen viele Ärzte schon die Diagnose aus, selbst bei einem eher komplexen und ungewöhnlichen Symptomenbild. Abgesehen von den gesundheitlichen Beschwerden, welche wir Patienten als medizinische Laien ohnehin selbst diagnostizieren können, macht man inzwischen die Erfahrung, dass bei den anderen Beschwerden immer häufiger der Fall eintritt: Fragt man vier Ärzte, dann bekommt man vier unterschiedliche Diagnosen genannt.

Das führt das dazu, dass die Beschwerden der Patienten immer seltener in einer angemessenen Zeit behoben sind, weil natürlich bei einer falschen Diagnose auch keine richtige Therapie verordnet werden kann. Die Beschwerden des Patienten bleiben und der Patient geht zum nächsten Arzt, erlebt hier möglicherweise genau dasselbe wie beim ersten Arzt. Der Patient rennt von einem Arzt zum nächsten, bis er zufällig jemanden findet, der die richtige Diagnose stellt und auch die richtige Therapie verordnet. Geschieht das nicht und die Schmerzen bleiben, dann geht er halt irgendwann in die Klinik. In der Klinik stößt er auf ein anderes Problem, dass nämlich die Therapie nicht gesundheitlichen, sondern wirtschaftlichen Erwägungen unterworfen wird. Der Patient wird operiert, obwohl eine konservative Therapie möglicherweise geeigneter wäre.

Man muss inzwischen in Deutschland als Patient mehr von Medizin verstehen als der Arzt, den man konsultiert. Sonst hat man auf Dauer verloren. Das sollte uns zu denken geben.

EWALD BECK, Bad Homburg

Zeit, sich zu verabschieden

betr.: „Schäuble kostet Milliarden“, taz vom 20. 7. 15

Die Höflichkeit von Ulrike Herrmann, mit der sie die Finanz- und Wirtschaftspolitik von Finanzminister Schäuble beschreibt, ist eine Wohltat. Denn Schäuble hat tatsächlich wenig Ahnung von den Notwendigkeiten der europäischen (und auch weltweiten) Finanzökonomie. Der bevorstehende Wechsel in der Führung des IWF durch Chefvolkswirt Maurice Obstfeld (USA) wird zu peinlichen Korrekturen der dilettantischen deutschen Finanzpolitik führen! Die Punkte, die er innerdeutsch erhält für seine schwarze Null, sind nationalökonomisch für die schwäbische Hausfrau, nicht jedoch für eine fast zinsfreie Volkswirtschaft.

Wolfgang Schäuble hat seine Verdienste, unbenommen. Aber die Zeit, sich zu verabschieden, ist gekommen. Das findet zu Recht auch Ulrike Herrmann! PETER FINCKH, Ulm

Jetzt habe ich Zahlen

betr.: „Arm finanziert Reich“, taz vom 17. 7. 15

Liebe Leute, danke für den Artikel …schon vor 50 Jahren, als dümmliche Lehrer am Gymnasium davon faselten, dass die Entwicklungshilfe nur zum „Kauf goldener Betten“ genommen wird, widersprach ich und behauptete, dass Deutschland das Geld doppelt und dreifach wieder rausholt.

Danke, jetzt habe ich Zahlen und wenn heute Leute meinen, Deutschland u. a. würden den Griechen Geld schenken, „unser Geld“, so erzähle ich ihnen auch, dass Schland alles doppelt und dreifach wieder herausholt. LOTHAR FRISCH, Elsenfeld

Doppelt schädlich

betr.: „Dobrindt setzt auf mehr Beton“, taz vom 21. 7. 15

Der durch den Straßenbau primär geförderte motorisierte Individualverkehr ist doppelt schädlich: Im Bezug auf den Klimawandel und weil er einkommensschwache Menschen in der Regel ausschließt – denn ein eigenes Kraftfahrzeug, um neue oder nach Renovierung wieder befahrbare Straßen nutzen zu können, muss für den Einzelnen wirtschaftlich erschwinglich sein.

Der öffentliche Personennahverkehr, der insbesondere auch im Bezug auf den Klimawandel vergleichsweise umweltfreundlich ist und bislang auch für einkommensschwache Menschen dank regionaler Sozialticketangebote oftmals vor Ort noch erschwinglich ist, soll hingegen bundespolitisch deutlich beschnitten werden: Gutachten im Auftrag des Bundes und der Länder zeigen, dass der Sanierungsbedarf für die Infrastruktur im kommunalen Nahverkehr inzwischen auf vier Milliarden Euro angewachsen ist, jedes Jahr kommen weitere 330 Millionen Euro dazu.Statt – wie in dieser Situation erforderlich – zusätzliche Mittel für den ÖPNV bereitzustellen, sollen die für den kommunalen ÖPNV so wichtigen Bundesmittel nach dem sogenannten Entflechtungsgesetz, nach dem bisher pro Jahr 1,335 Milliarden Euro für den ÖPNV bundesweit bereit gestellt werden, Ende 2019 auch noch wegfallen.

Fahrpreiserhöhungen in der erforderlichen Größenordnung werden vermehrt zu sozialer Selektion der Fahrgäste auch im ÖPNV führen, das heißt einkommensschwache Menschen werden dann auch bezüglich ihrer Mobilität endgültig gesellschaftlich abgehängt. ELGIN FISCHBACH, Leimen

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