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Lenin und Stalin in Wackersdorf

■ Wiederauferstehung statt Wiederaufarbeitung

Mit Lenin, Stalin und Genossen will der schwäbische Steinmetz Josef Kurz den Fremdenverkehr in der Oberpfalz ankurbeln. Ein Denkmalpark mit ausgemusterten, bis zu vierzig Meter hohen Monumenten und Großplastiken aus der Ex-DDR und den ehemals sozialistischen Staaten Osteuropas wäre nach Ansicht des 63jährigen Unternehmers eine Attraktion von europäischen Dimensionen für ein geplantes Naherholungs- und Freizeitzentrum innerhalb der Wackersdorfer Seenplatte.

Gespräche mit Kurz wegen des Projekts hätten stattgefunden, bestätigte der Energieversorgungskonzern Bayernwerk, dem das 600 Hektar große ehemalige Grubengelände der Bayerischen Braunkohlenindustrie (BBI) gehört. Geht der Traum des schwäbischen Denkmalsammlers in Erfüllung, würde der Raum um Wackersdorf – in den achtziger Jahren im Mittelpunkt der Auseinandersetzungen um die atomare Wiederaufarbeitungsanlage – zum letzten Asyl für die steinernen Heroen des Kommunismus.

Knapp zwei Dutzend der tonnenschweren Denkmäler hat Josef Kurz bisher vor dem Preßlufthammer gerettet, nachdem sie an ihren Ursprungsstandorten zum Abbruch freigegeben waren. Weitere 116 Monumente sozialistischer Größe, darunter ein 43 Meter hohes Heldendenkmal aus Sofia und attraktive Objekte aus der ehemaligen Sowjetunion, seien ihm zugesagt, versicherte Kurz. Die schönsten Denkmäler könnten in Wackersdorf aufgestellt werden. „Das wäre eine echte Fremdenverkehrsattraktion“, meinte der Schwandorfer Landrat Hans Schuierer.

Urlaubsenklave im großen Stil

Hundert Millionen Mark haben die BBI und das Bayernwerk als heutiger Besitzer des ehemaligen Tagebaugebiets im Zuge des bisher größten süddeutschen Rekultivierungsprogramms in das frühere Braunkohlerevier investiert. Die Mondlandschaft des 1981 stillgelegten Grubengeländes ist heute wieder grün. Sieben künstliche, bis zu sechzig Meter tiefe Seen entstanden, wobei der Steinberger See mit 176 Hektar als größtes Binnengewässer Ostbayerns im Sommer Tausende von Sonnenanbetern und Wassersportlern aus ganz Nordbayern anzieht.

Alle Versuche sowohl des Bayernwerks wie der Kommunalpolitiker, die größte Seenlandschaft nordöstlich von Nürnberg und München touristisch in großem Stil zu nutzen, waren aber bisher erfolglos. Auch Pläne zum Bau großer Hotelkomplexe durch internationale Gesellschaften zerschlugen sich. „Jetzt wollen wir die Seen in enger Kooperation mit den Anliegergemeinden für die Freizeit- und Naherholungszwecke aktivieren“, sagte ein Sprecher des Bayernwerks. Geplant sei unter anderem die Errichtung von neuen Campingplätzen, Sportanlagen oder Wochenendhaus-Siedlungen. Der von Kurz geplante Figurenpark könne allenfalls ein kleiner Teilaspekt innerhalb eines komplexen Nutzungskonzepts sein, das voraussichtlich 1994 vorliegen werde.

Der Eigner von Lenin und Co. glaubt fest an die Realisierung seines Projekts. Nicht er, sondern das Bayernwerk hätte zu dem Vorhaben den Anstoß gegeben, behauptet Kurz. Auch die Finanzierung sei gesichert, und das bayerische Wirtschaftsministerium habe bereits indirekt Zustimmung signalisiert, was ein Ministeriumssprecher allerdings nicht bestätigen konnte. dpa

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