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■ Leise Trommeln rufen zur RebellionAm 8. März gehen Frauen auf die Straße für Gleichberechtigung, mehr Arbeitsplätze, gegen das neue Asylrecht und vieles mehr

Leise Trommeln rufen zur Rebellion

Die Idee ist nicht neu. Frauenpower verbunden mit einem ausdauernden Streik hat bereits im antiken Griechenland die Männer in die Knie gezwungen – zumindest in Aristophanes Komödie „Lysistrata“. Um die Athener zum Frieden mit Sparta zu bewegen, griffen die Frauen quer durch alle griechischen Stadtstaaten zu einem Plan, der sich als absolut wirksam erwies: Liebesstreik bis hin zur wehrhaften Besetzung der Akropolis. Der Pakt, den die Griechinnen beim prall gefüllten Weinschlauch besiegelten, hatte Erfolg: Unterstützt von der Göttin der Versöhnung kann die streitbare Lysistrata am Ende den Frieden verkünden. Soweit, so fiktiv.

Realer, kürzer und deshalb, so ist zu vermuten, wohl auch weniger wirksam steht den deutschen Männern am 8. März ein Streik der Frauen ins Haus. Kein „No Sex“, aber mit zahlreichen Aktionen – bis hin zur Arbeitsniederlegung wollen Frauen klarstellen: Uns reicht's!

Ein tiefes Luftholen soll der Frauenbewegung neuen Schwung geben, ein neuer Kampfgeist soll Frustration und Resignation der vergangenen Jahre vertreiben. Anlässe für einen neuen weiblichen Kampfgeist gäbe es zuhauf: unproportionaler Anstieg der Frauenarbeitslosigkeit, die Karlsruher Entscheidung zum Abtreibungsparagraphen, Kürzung von Sozialleistungen und Asylrechtsänderungen, lautet es im ersten Streikappell vom Frühjahr 1993.

Ein Vorgeschmack, was passiert, wenn die weibliche Arbeits- und Integrationskraft in allen Bereichen ausfällt, soll allenthalben am 8. März zu spüren sein. Als Vorbild dient den deutschen Frauen der erfolgreiche Ausstand der Isländerinnen 1975 und der Schweizerinnen 1991. An jenem 14. Juni streikten Hunderttausende Schweizerinnen, um die in der Verfassung verankerte Gleichstellung einzuklagen. Neun von zehn Isländerinnen traten in den Ausstand, weil sie damals ein Drittel weniger als ihre männlichen Kollegen verdienten. Der Effekt war beeindruckend. Banken, Theater, Kindergärten waren geschlossen. In Island brach das öffentliche Leben zusammen. Fünf Jahre später wählten die Isländer und Isländerinnen eine Feministin als Staatspräsidentin. Zwei Jahre nach ihrem großen Streik gingen die Schweizerinnen 1993 wieder auf die Straße: Sie forderten den durch Rücktritt freigewordenen 100. Bundesratssitz für Christiane Brunner, SPS.

Dem bundesrepublikanischen Streik nehmen Rezession und organisatorische Mängel einigen Wind aus den Segeln. Die Prognosen für den 8. März hören sich vorsichtig an. „Eine Massenveranstaltung wird es wohl nicht“, sagt Christiane Schindler, Vertreterin des bundesweiten Streikkomitees in Berlin. Besonders im Osten der Republik bereitet angesichts der Arbeitslosigkeit der Streik Probleme, und auch die Gewerkschaften agieren zurückhaltend. Wichtige Einrichtungen wie der Arbeitslosenverband oder der Demokratische Frauenbund konnten sich bislang nicht zu einem Aktionsbündnis entschließen, nichtorganisierte Frauen sind aber schwer erreichbar und schwer in Streikaktionen einzubinden.

Aber auch aus anderen Gründen ist der Optimismus der Organisatorinnen gedämpft. Denn so viele Gründe es für den Streik gibt, so verschieden sind die Zielsetzungen der bisher mitarbeitenden Frauen. „Der Streik läuft dezentral ab. Eine Beschränkung auf einige wenige gemeinsame Forderungen und Kernaussagen war nicht möglich“, sagt Schindler. Einzelinteressen gehen über gemeinsame Zielsetzungen, Bündnisse über ideologische Grenzen hinweg fallen schwer. Die Frage, ob sich darin nicht die eigentliche Krise der Frauenbewegung spiegelt, drängt sich auf. Daß viele Initiativen am 8. März ihr eigenes Süppchen kochen und damit möglicherweise auf eine größere Sprengkraft konzertierter Aktionen verzichten, wird mittlerweile auch als Vorteil gewertet. Der Verzicht auf vereinheitlichte Forderungen hat sehr unterschiedliche Gruppierungen mobilisiert. Das Spektrum reicht von Autonomen bis Gewerkschaftsfrauen, von ImmigrantInnen- über Prostituierteninitiativen bis hin zu kirchlich engagierten Frauen. Sie alle wollen den Streiktag zur öffentlichen Kundgebung ihrer Anliegen nutzen.

Bis heute haben sich mehr als 40 lokale Streikkomitees in den größeren Städten gebildet. An Sprachwitz mangelt es nicht. Erlangen wird an besagtem Tag in „Sielangen“ umgetauft. [Und Mannheim in Frauhaus? d.sin] Regensburgerinnen verlassen die Stadt, um per Sonderzug auf die Zugspitze zu fahren. Dort werden sie mit einem Großplakat ihrer Entrüstung – „Das ist der Gipfel!“ – Luft machen. Der Platz vor dem Hamburger Rathaus wird am 8. März von Frauen und einem Riesenpuzzle in Beschlag genommen. Zusätzlich sorgt eine Stern-Radtour mit Verkehrsblockaden für Aufmerksamkeit. Mut beweisen die am Flughafen Düsseldorf zum Mindestlohn beschäftigten Ausländerinnen, die komplette Arbeitsniederlegung erwägen. Und in Bonn probt bereits die Lärmgruppe „Sirene“.

Aber wie schnell wird der Tag öffentlicher Aufmerksamkeit, an dem Frauen gar keinen oder nur Dienst nach Vorschrift machen, nicht mehr höflich und nett sind, keinen Kaffee kochen und die Kinder den Männern mit auf die Arbeit geben, vorbei sein? Immerhin findet der Streik im sogenannten „Superwahljahr“ statt, in dem Frauenthemen kaum auf der Tagesordnung stehen. Und da tut sich nicht nur die weibliche Hälfte aller Wahlberechtigten schwer, eine Partei zu finden, die ihre Interessen konsequent vertritt. Den Isländerinnen hat der Streik die Sozialdemokratische Frauenpartei beschert, die auch 1991 wieder ins Parlament gewählt wurde. Was folgt dem deutschen Frauenstreik?

Fotos: Hermine Oberück, Matthias Lindner, Claus Welzet, taz (von links nach rechts)

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