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Leipzigs Messe im Umbruchs?

■ Von Krupp bis Siemens - die Wirtschaftsprominenz will einsteigen / Premier Modrow: Die DDR stellt sich bei zunehmender Rolle der BRD dar

Leipzig (adn/taz) - Premier Hans Modrow kam nach Leipzig, nicht in voller Politbüro-Montur wie seine Vorgänger und nicht nur mal so zum schauen. Etwas war anders beim Besuch der Ständen in- und ausländischer Aussteller. Modrow bezeichnete die internationale Messe als eine, auf der sich die DDR bei zunehmender Rolle der BRD darstellt, wie das immer war, in diesem Jahr unter einigen neuen Aspekten. Sie sei außerdem eine Jubiläumsmesse, von der man international viel erwartet. Modrow glaube, daß neue Voraussetzungen und gute Bedingungen geschaffen werden, um den Handel zwischen Ost und West weiterzuentwickeln. Alle Staaten Ost- und Mitteleuropas erwarten ein gutes Geschäft und vielleicht auch Impulse für ein Zusammenwachsen der Wirtschaften in einer europäischen Dimension.

Die 825-jährige Handelsmonopole Leipzig wählten sich in diesem Jahr 9.000 Aussteller aus 69 Ländern. Sie haben 340.000 Quadratmeter Fläche zur Verfügung, um die Käufer und Stauner entweder zu beeindrucken oder zu langweilen.

Die DDR sollte nach Vorstellung der Deutschen Industrie rasch das Grundgesetz nach Artikel 23 übernehmen. Bei der Diskussion über die Formen der Vereinigung beider Deustchen Staaten werde übersehen, daß in diesem Falle ein volles Mitspracherecht der DDR bei der gesetzlichen Ausgestaltung gewährleistet sei, sagte der Präsident des Bundesverbandesd der Deutschen Industrie Tyll Necker.

Daß es selbst für die Erzfeinde des Sozialismus spannend ist, nach Leipzig zu kommen, beweist die Anwesenheit des Vorstandvorsitzenden der Friedrich Krupp GmbH, Dr. Gerhard Cromme. Er zeigte Interesse an den vorhandenen DDR -Verbindungen mit Firmen im RGW-Raum. Entgegen einem typidschen Chaerakteristikum für Umbruchzeiten, Risiken über - und Chancen unterzubewerten, vertrete Krupp den Standpunkt, daß die Chancen eindeutig überwiegen.

Die Siemens-AG Berlin/München unterzeichnete am Eröffnungstag der Messe bereits ein Exklusiv-Abkommen mit dem VEB Nachrichtenelektronik, in dem 20 DDR-Betriebe zusammengefaßt sind. Gegenstand der Vereinbarungen sind Entwicklung, Fertigung, Vertrieb und Service privater Kommunikationstechnik.

Der Chef des Preussag-Salzgitter-Konzerns, Ernst Pieper, sagte nach der Unterzeichnung, eine Rahmenvereinbarung mit dem Bandstahlkombinat Herrmnann Matern in Eisenhüttenstadt, die Wettbewerbsfähigkeit des Kombinates solle dadurch gesteigert werden.

Die Magdebvurger Amaturenwerke (MAW) und die Deutsche Babcock Werke AG Oberhausen gründeten ebenfalls noch am Sonntag ein Gemeinschaftsunternehmen mit Sitz in Magdeburg. Damit hat ein Nordrhein-Westfälischer Betrieb erstmals die Kaspitalmehrheit in einem deutsch-deutschem Gemeinschaftsunternehmen. Die sich ergänzenden Produktprogramme beider Firmen sollen über die jeweils vorhandenen Vertriebswege in Ost und West vermarktet werden.

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