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Leipziger planen Revolution im GüterverkehrLastentaxi auf der Schiene

Ein neues System könnte den Güterverkehr revolutionieren. Der Cargobeamer bringt ganze Lkw-Anhänger auf einen Waggon. Die Bahn würde damit interessanter für Spediteure.

Raum für Innovationen: Rangierbahnhof der Bahn. Bild: apn

BERLIN taz | Den stark wachsenden Güterverkehr auf die Schiene zu bringen, das wollten schon viele und bislang hat es selten in großem Stil geklappt. Zu statisch, zu unflexibel, zu langsam, so die gängigen Gegenargumente; und deshalb stehen jährlich Millionen Lkw im Stau. Damit könnte es bald vorbei sein – jedenfalls, wenn es nach den Tüftlern der Leipziger Cargobeamer AG geht.

Die Idee der Leipziger ist einfach: Statt Container oder ganze Lkw auf die Güterzüge zu hieven, wie beim sogenannten kombinierten Verkehr, werden bei Cargobeamer die Lkw-Anhänger auf die Waggons geladen und festgemacht. Das Ganze geht ruckzuck: Nur knapp zehn Minuten dauert es vom Einparken des Lasters neben dem Waggon über das Abkoppeln des Lkw-Anhängers, auch Auflieger genannt, bis zum automatischen Aufladen des Aufliegers auf den Waggon – und zwar ganz ohne Kran. Runter geht es genauso schnell. Davon konnten sich am Montag Fachpolitiker und Journalisten bei der öffentlichen Vorführpremiere des Projekts in Leipzig überzeugen.

Die Vorteile des neuen Systems liegen auf der Hand: Das Be- und Entladen des Zugs geht viel schneller als bei anderen Zug-Laster-Systemen, statt vier bis fünf Stunden wie beim Kranumschlag braucht man nun weniger als zwanzig Minuten. Zudem lassen sich Güter auf langen Strecken mit dem Zug schneller und termingerechter transportieren als über staugefährdete Autobahnen. Voraussetzung dafür aber ist, dass der Zug häufig genug fährt.

Ein Vergleich mit dem Personenverkehr illustriert das: Wenn hundert Menschen von Nürnberg nach Leipzig wollen, können sie mit hundert Autos fahren – oder mit dem ICE plus Taxi. Letzte Variante ähnelt dem Prinzip des Cargobeamers, und sie ist meist die schnellere. Darauf kommt es bei den Spediteuren an. "Wir sind von der Marktfähigkeit unseres Systems absolut überzeugt", sagt Cargobeamer-Chef Hans-Jürgen Weidemann. Rund 60 Prozent des deutschen Lkw-Verkehrs werde mit Sattelaufliegern bewerkstelligt. "Die können wir alle auf die Schiene holen." Bei der Verteilung der Güter vor Ort bleiben Laster das beste Verkehrsmittel.

Einen Haken aber hat die Sache: Bevor es in großem Stil losgehen kann, sind hohe Investitionen notwendig. Denn die Güterwaggons, die Lkw-Auflieger tragen können, müssen extra produziert werden. Wichtige Komponenten wie Räder, Fahrgestell und Bremsen lassen sich aber aus Standardprodukten herstellen, nur die Waggonaufsätze sind wirkliche Neuentwicklungen. Rund sechs Millionen Euro soll ein solcher Zug mit 36 Waggons einmal kosten. "Das kriegen wir hin", sagt Cargobeamer-Investor Hans Albrecht.

Das nächstes Problem sind allerdings die Güterbahnhöfe. Sie müssten teilweise um- beziehungsweise neu gebaut werden, um 700 Meter lange Züge gleichzeitig be- und entladen zu können.

Doch auch dies ließe sich stemmen, rechnet Albrecht vor. "Wir brauchen bundesweit nur acht Terminals, um für vier Fünftel des deutschen Güterverkehrs interessant zu werden." Auch diese Investitionen ließen sich finanzieren, aber dafür bräuchte das Unternehmen Bürgschaften in Höhe von von 50 bis 100 Millionen Euro.

Schon im nächsten Jahr wollen die Leipziger aus der Phase der Prototypentwicklung heraus sein, dann soll die Waggonproduktion in Serie gehen. Im Jahr 2012 soll es dann mit ersten Routen richtig losgehen, und 2014 ist dann die Bedienung des europäischen West-Ost-Korridors von Rotterdam ins Baltikum geplant.

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10 Kommentare

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  • H
    hanswurst

    Und was bringt uns das bei einem schon jetzt aus- bis überlastetem Schienennetz?

  • R
    runzbart

    bitte verfolgt dieses projekt weiter liebe taz, das hört sich sehr vielversprechend an und mich würde stark interessieren, wie es damit weiter geht.

  • A
    alcibiades

    Ob sich die Bahn dann nicht selber die Butter vom Brot nähme? Der Herr Mehdorn ist doch seinerzeit massiv bei der Spedition Schenker eingestiegen. Das heisst nicht, dass man da keine Ansätze zur Zusammenarbeit finden könnte, im Gegenteil. Aber die Bahn hat in den letzten 15 Jahren ihre Güterbahnhöfe eher rückgebaut. Und flexibel sind sie ja bekannterweise nicht.

  • E
    einer

    Der Artikel macht leider nicht so ganz verständlich wo jetzt die Neuerung gegenüber herkömmlichem RoRo ist - und läßt leider wiedermal jegliche Links aus.

     

    Nach Ansicht von http://www.cargobeamer.com/animationen/cargo_animation_2.html bleibt für mich nur noch eine Frage: Wo gibts deren Aktien?

  • V
    vic

    Gute Sache. Mehr solcher Initiativen wären schön, aber es wird nicht lamge dauern bis irgendein Gewerbe dagegen protestiert. In diesem Fall der Straßenbau.

  • J
    Jappie

    Die Firma kommt aus Bautzen (s. cargobeamer.de) - nicht aus Leipzig.

  • RA
    Ralph Ahorn

    Da sieht man doch schon, wohin etwa das Geld fliessen könnte, das bei Stuttgart 21 eingespart werden kann, wenn man den Bahnhof zwar modernisiert, ihn aber als überirdischen Kopfbahnhof erhält und die Gleise nicht abreisst, sondern überbaut, das Verhältnis also quasi umkehrt: Nicht Gleise und Bahnhof in den Keller und die Bebauung in der Ebene, sondern Gleise und Bahnhof bleiben wie bisher und die Bebauung wird im 1. Stock darüber realisiert. Auch das würde die getrennten Stadtteile zusammenfügen - ohne die immensen Kosten und ohne Rodung des alten Baumbestandes.

  • J
    jan

    Die Idee is uralt, warum kommt das gerade jetzt hoch? Ist man nicht mit Stuttgart beschäftigt genug?

  • R
    reblek

    "... dann soll die Waggonproduktion in Serie gehen." Das ist eher unwahrscheinlich, denn in Serie geht nicht die Produktion, sondern das Produkt.

  • N
    namaste

    Da ist mit deutlich weniger Geld doch viel mehr erreicht als mit Stuttagrt 21, das keinem was bringt (ausser ein paar Profilierunssüchtigen Politikern)!