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Leinenzwang, aber keine FreilaufflächenKein Herz für Hunde

Nirgends dürfen Hunde frei herumtollen. Eine Ex-SPD-Abgeordnete wollte das ändern - ihr Vorstoß scheiterte jedoch an ihrer eigenen Fraktion, klagt sie nun.

Total illegal: Entleinter Hund beim Winterspaziergang im Bürgerpark. Bild: dpa

Der Bremer Stadt-Hund hat es nicht leicht: Fast überall muss er an der Leine laufen. Selbst in Parks darf er nicht über die Wiesen tollen. Artgerechte Tierhaltung sei das nicht, findet Karin Bohle-Lawrenz. Deshalb hat sie im Namen des Bremer Tierschutzvereins im März dieses Jahres eine Petition in der Bürgerschaft eingereicht. Darin fordert sie Auslauf-Flächen für Hunde im Stadtgebiet.

Bohle-Lawrenz war zu diesem Zeitpunkt noch Abgeordnete der Bürgerschaft für die SPD, zudem saß sie im Ausschuss, der über die Bittgesuche der Bürger berät, hätte das Thema also direkt ansprechen können. Das hatte sie getan - vergeblich.

Bohle-Lawrenz sah in der Petition "die letzte Möglichkeit", ihr Anliegen auf die Agenda zu bringen. Ihr Engagement für Hund und Halter seit 2009 sei "ein einziger Klimmzug". Damals arbeitete sie noch mit den gängigen Mitteln einer Abgeordneten: eine Anfrage im Parlament hier, eine offene Diskussionsrunde für die Bürger da. Bald habe sie realisiert, dass sie "von der eigenen Fraktion hingehalten" werde.

Zuletzt sei im März dieses Jahres ein an den Senat gerichteter Antragsentwurf von der Fraktionsspitze zurückgewiesen worden. Fraktionschef Björn Tschöpe habe ihr spöttisch vorgeschlagen, sie könne mit ihrem "schönen Thema" ja noch einmal in vier Jahren antreten, sagt Bohle-Lawrenz. Parteikollege Jürgen Pohlmann habe auf seine Ehefrau verwiesen, die Angst vor Hunden habe.

Tschöpe weist die Beschuldigungen entschieden zurück: "Ich habe eine solche Aussage nie getroffen", sagt er. "Soweit ich mich erinnere, kam der Antragsentwurf von Frau Bohle-Lawrenz zeitgleich mit der Einreichung der Petition." Die Fraktionsspitze sei sich damals einig gewesen: "Wenn man als Abgeordneter zu Mitteln greift, die eigentlich für den Bürger bestimmt sind, erklärt man damit, dass man keine Fraktionsbefassung will", so Tschöpe. Bohle-Lawrenz aber will die Petition erst nach Zurückweisung des Antragsentwurfs aufgesetzt haben.

Im Mai wurde die Vertreterin der Pusdorfer SPD nicht mehr in die Bürgerschaft gewählt, die SPD hatte sie nur auf Platz 42 gesetzt. Sie bekam 992 Persönlichkeitsstimmen, Pohlmann schaffte den Wiedereinzug mit 1192 Direktstimmen. Ihre Hunde-Petition bekam 1827 Unterzeichner - so viele, wie bisher noch keine Bremer Online-Petition. Im Herbst soll der Petitionsausschuss darüber diskutieren.

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12 Kommentare

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  • RH
    Robert Happek

    Seit ca 15.000 Jahren gibt es eine enge Beziehung zwischen den beiden Spezies Mensch und Hund. Kein anderes Lebewesen kann so vielfältig mit dem Menschen sozial interagieren. Der Hund ist in der Deutung von menschlichen Befindlichkeiten selbst Affen überlegen. (vgl. Dr. Miklosi). Die Hund-Mensch Beziehung ist ein Kulturgut, dies wissen egozentrische Persönlichkeiten schlichtweg nicht. Therapiehunde, Jagdhunde, Trümmersuchhunde, Flächensuchhunde, Lawinensuchhunde, Polizeihunde, Drogenspürhunde, Mantrailer, Wasserrettungshunde, Schutzhunde, Schäferhunde (Koppelgebrauchshunde, Treibhunde, Herdengebrauchshunde, Herdenschutzhunde), Hofhunde und der wichtigste von allen: Der Familienhund. Es ist unfassbar, wie reglementiert wird ohne einen gleichzeitigen Ausgleich zu schaffen.

  • OP
    Online Privacy

    Beim Lesen des letzten Absatzes frage ich mich gerade, ob die Verfasserin des Artikels dem Leser mit der Aufrechnung der Direktstimmen suggerieren möchte, dass bei der Bürgerschaftswahl eine Abstimmung zwischen der hundekritischen Position von Jürgen Pohlmann (respektive derjenigen seiner Gattin) und der hundefreundlichen Position von Karin Bohle-Lawrenz stattgefunden hat. Ich kann mich allerdings weder erinnern, dass der (als IG-Metaller zweifellos gut vernetzte) Herr Pohlmann im Wahlkampf mit irgendwelchen negativen Äußerungen gegenüber Hundehaltern an die Öffentlichkeit getreten ist, noch ist mir erinnerlich, dass Frau Bohle-Lawrenz mit diesem Thema in wahrnehmbarer Weise Wahlkampf betrieben hat. So wie ich den Wortlaut der Petition lese, wurde diese vom Bremer Tierschutzverein eingereicht und von Frau Bohle-Lawrenz sowie zwei weiteren Vorstandsmitgliedern unterzeichnet. Dass sich der Verein zur Durchsetzung seiner satzungsgemäßen Interessen jemanden aus der Politik ins Boot holt, ist verständlich, genauso wie der Reflex der Presse, seine Berichterstattung an solchen (mehr oder minder) bekannten Namen aus der Politik aufzuhängen. Bei der Befassung des Petitionsausschusses mit der Eingabe sollten aber ausschließlich die rechtlichen Aspekte und nicht irgendwelche fraktionsinternen Zwistigkeiten bei der SPD eine Rolle spielen.

     

    Die Lösung könnte dann eine ganz einfache sein: Leinenzwang nur dort, wo dies vom Bremischen Hundehaltergesetz gefordert wird, nämlich in Fußgänzerzonen, öffentlichen Verkehrsmitteln, großen Menschenansammlungen und in Naturschutzgebieten, und Streichung aller übrigen einschlägigen Paragrafen in Verordnungen und Ortsgesetzen. Denn dieser über Jahrzehnte entstandene Verordnungsdschungel ist ohnehin für niemanden durchschaubar (selbst für die Polizei nicht!) und schon gar nicht sachlich begründbar.

  • KF
    Klarnamen Forderer

    Vorschlag: nur Leute die entsprechende Flächen nachweisen können dürfen einen Hund halten. Dann gibt es auch keine Schwierigkeiten.

     

    Die exMdBB scheint keine Probleme zu haben. Nun gut, Luxussorgen sind auch Sorgen.

  • JR
    Jutta Riegert

    Da frage ich mich als Tier- und Naturfreundin wieder ernsthaft, wofür HundebesitzerInnen Hundesteuer bezahlen, und zwar in Bremen einen Spitzensatz.

     

    Verständnis hätte ich ja noch, wenn das Geld dem Tierheim zufließen würde; fließt jedoch entsprechend der Regeln dem allgemeinen Haushalt zu.

     

    Und warum gibt es keine Pferde- oder Katzensteuer?

  • AM
    Agnes Müller-Lang

    Ein Hund ist ein Hund und keine Maus. Deshalb fnde ich auch, dass das Bellen eines Hundes auch einmal toleriert werden muss. Er bellt nicht zu seinem Vergnügen, sondern weil er einfach den Beschützerinstinkt hat. Das kann natürlich manchen Mitmenschen auf die Nerven gehen, aber man kann ja auch das morgendliche Vogelgezwitscher nicht abstellen, das gehört zum Leben, das ist einfach natürlich. Auch Hunde sind Geschöpfe, die einen Anspruch auf ihr Leben haben und deshalb auch Auslaufflächen brauchen. Nicht jeder kann sich eine Parzelle leisten, die er dann ausschließlich für seinen Gefährten Hund angeschafft hat.

  • T
    Tierfreundin

    Es liegt, mit Verlaub, nicht nur an der Ignoranz der SPD-Fraktion, dass sich an diesem von vielen Hundehaltern bereits seit Jahren monierten Problem bis heute nichts geändert hat. Denn es ist längst gängige Rechtsprechung, dass ein Leinenzwang, der keine Ausnahme zulässt, gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstößt; vgl. z.B. Urteil des Niedersächsischen OVG vom 27.01.2005,

    Az. 11 KN 38/04.

     

    Eine Klage betroffener Hundebesitzer hätte also jede Aussicht auf Erfolg, müsste die Stadtgemeinde doch einen konkreten Grund für den Leinenzwang nachweisen; allein das Argument der abstrakten Gefahrenabwehr zieht hier genauso wenig wie die angeblich überall im Stadtgebiet vorhandenen Bodenbrüter oder Rehkitze.

     

    Offenbar ziehen es aber die allermeisten Hundebesitzer vor, sich örtlich oder zeitlich irgendwelche Nischen zu suchen, in denen sie hoffen, von den Ordnungsbehörden möglichst wenig behelligt zu werden.

     

    Wer freilich ständig den Kopf in den Sand steckt, muss sich auch nicht wundern, wenn seine Anliegen nicht wahrgenommen werden; das Beispiel der Grillwiese am Werdersee zeigt, dass es einer gewissen Chuzpe und Hartnäckigkeit bedarf, um seine Interessen durchzusetzen. Eine Petition kann dabei hilfreich sein, ist aber auch kein Allheilmittel.

  • RH
    Robert Happek

    Seit ca 15.000 Jahren gibt es eine enge Beziehung zwischen den beiden Spezies Mensch und Hund. Kein anderes Lebewesen kann so vielfältig mit dem Menschen sozial interagieren. Der Hund ist in der Deutung von menschlichen Befindlichkeiten selbst Affen überlegen. (vgl. Dr. Miklosi). Die Hund-Mensch Beziehung ist ein Kulturgut, dies wissen egozentrische Persönlichkeiten schlichtweg nicht. Therapiehunde, Jagdhunde, Trümmersuchhunde, Flächensuchhunde, Lawinensuchhunde, Polizeihunde, Drogenspürhunde, Mantrailer, Wasserrettungshunde, Schutzhunde, Schäferhunde (Koppelgebrauchshunde, Treibhunde, Herdengebrauchshunde, Herdenschutzhunde), Hofhunde und der wichtigste von allen: Der Familienhund. Es ist unfassbar, wie reglementiert wird ohne einen gleichzeitigen Ausgleich zu schaffen.

  • OP
    Online Privacy

    Beim Lesen des letzten Absatzes frage ich mich gerade, ob die Verfasserin des Artikels dem Leser mit der Aufrechnung der Direktstimmen suggerieren möchte, dass bei der Bürgerschaftswahl eine Abstimmung zwischen der hundekritischen Position von Jürgen Pohlmann (respektive derjenigen seiner Gattin) und der hundefreundlichen Position von Karin Bohle-Lawrenz stattgefunden hat. Ich kann mich allerdings weder erinnern, dass der (als IG-Metaller zweifellos gut vernetzte) Herr Pohlmann im Wahlkampf mit irgendwelchen negativen Äußerungen gegenüber Hundehaltern an die Öffentlichkeit getreten ist, noch ist mir erinnerlich, dass Frau Bohle-Lawrenz mit diesem Thema in wahrnehmbarer Weise Wahlkampf betrieben hat. So wie ich den Wortlaut der Petition lese, wurde diese vom Bremer Tierschutzverein eingereicht und von Frau Bohle-Lawrenz sowie zwei weiteren Vorstandsmitgliedern unterzeichnet. Dass sich der Verein zur Durchsetzung seiner satzungsgemäßen Interessen jemanden aus der Politik ins Boot holt, ist verständlich, genauso wie der Reflex der Presse, seine Berichterstattung an solchen (mehr oder minder) bekannten Namen aus der Politik aufzuhängen. Bei der Befassung des Petitionsausschusses mit der Eingabe sollten aber ausschließlich die rechtlichen Aspekte und nicht irgendwelche fraktionsinternen Zwistigkeiten bei der SPD eine Rolle spielen.

     

    Die Lösung könnte dann eine ganz einfache sein: Leinenzwang nur dort, wo dies vom Bremischen Hundehaltergesetz gefordert wird, nämlich in Fußgänzerzonen, öffentlichen Verkehrsmitteln, großen Menschenansammlungen und in Naturschutzgebieten, und Streichung aller übrigen einschlägigen Paragrafen in Verordnungen und Ortsgesetzen. Denn dieser über Jahrzehnte entstandene Verordnungsdschungel ist ohnehin für niemanden durchschaubar (selbst für die Polizei nicht!) und schon gar nicht sachlich begründbar.

  • KF
    Klarnamen Forderer

    Vorschlag: nur Leute die entsprechende Flächen nachweisen können dürfen einen Hund halten. Dann gibt es auch keine Schwierigkeiten.

     

    Die exMdBB scheint keine Probleme zu haben. Nun gut, Luxussorgen sind auch Sorgen.

  • JR
    Jutta Riegert

    Da frage ich mich als Tier- und Naturfreundin wieder ernsthaft, wofür HundebesitzerInnen Hundesteuer bezahlen, und zwar in Bremen einen Spitzensatz.

     

    Verständnis hätte ich ja noch, wenn das Geld dem Tierheim zufließen würde; fließt jedoch entsprechend der Regeln dem allgemeinen Haushalt zu.

     

    Und warum gibt es keine Pferde- oder Katzensteuer?

  • AM
    Agnes Müller-Lang

    Ein Hund ist ein Hund und keine Maus. Deshalb fnde ich auch, dass das Bellen eines Hundes auch einmal toleriert werden muss. Er bellt nicht zu seinem Vergnügen, sondern weil er einfach den Beschützerinstinkt hat. Das kann natürlich manchen Mitmenschen auf die Nerven gehen, aber man kann ja auch das morgendliche Vogelgezwitscher nicht abstellen, das gehört zum Leben, das ist einfach natürlich. Auch Hunde sind Geschöpfe, die einen Anspruch auf ihr Leben haben und deshalb auch Auslaufflächen brauchen. Nicht jeder kann sich eine Parzelle leisten, die er dann ausschließlich für seinen Gefährten Hund angeschafft hat.

  • T
    Tierfreundin

    Es liegt, mit Verlaub, nicht nur an der Ignoranz der SPD-Fraktion, dass sich an diesem von vielen Hundehaltern bereits seit Jahren monierten Problem bis heute nichts geändert hat. Denn es ist längst gängige Rechtsprechung, dass ein Leinenzwang, der keine Ausnahme zulässt, gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstößt; vgl. z.B. Urteil des Niedersächsischen OVG vom 27.01.2005,

    Az. 11 KN 38/04.

     

    Eine Klage betroffener Hundebesitzer hätte also jede Aussicht auf Erfolg, müsste die Stadtgemeinde doch einen konkreten Grund für den Leinenzwang nachweisen; allein das Argument der abstrakten Gefahrenabwehr zieht hier genauso wenig wie die angeblich überall im Stadtgebiet vorhandenen Bodenbrüter oder Rehkitze.

     

    Offenbar ziehen es aber die allermeisten Hundebesitzer vor, sich örtlich oder zeitlich irgendwelche Nischen zu suchen, in denen sie hoffen, von den Ordnungsbehörden möglichst wenig behelligt zu werden.

     

    Wer freilich ständig den Kopf in den Sand steckt, muss sich auch nicht wundern, wenn seine Anliegen nicht wahrgenommen werden; das Beispiel der Grillwiese am Werdersee zeigt, dass es einer gewissen Chuzpe und Hartnäckigkeit bedarf, um seine Interessen durchzusetzen. Eine Petition kann dabei hilfreich sein, ist aber auch kein Allheilmittel.