Leiharbeiter bei der Meyer-Werft: Kritik nach tödlichem Brand
In Papenburg verbrannten zwei rumänische Arbeiter in einer Wohnunterkunft. Sie waren bei der örtlichen Meyer-Werft beschäftigt und von der Emdener Firma SDS vermittelt. Nun wird Kritik an ihren Arbeits- und Wohnbedingungen laut
HAMBURG taz | Die Meyer-Werft geht in die Offensive. Als „völligen Unsinn“ bezeichnet Unternehmenssprecher Peter Hackmann die gegen die Werft und das Emdener Subunternehmen SDS nach einem tödlichen Brand in einer Unterkunft für „Leiharbeiter“ in Papenburg (Landkreis Emsland) erhobenen Vorwürfe. Die dort untergebrachten Arbeiter, von denen zwei bei dem Brand ums Leben kamen, waren bei der Meyer-Werft eingesetzt und an diese von SDS vermittelt worden. Der SDS-Bevollmächtigte Mustafa Salahin kündigte gegenüber der taz „rechtliche Schritte gegen die Osnabrücker Zeitung“ an, die „Lügen in die Welt gesetzt“ habe, ohne dass von ihr überhaupt „jemand mit mir gesprochen hat“.
In einem Bericht der Zeitung von Dienstag ist mit Verweis auf anonyme Quellen davon die Rede, dass die meist bulgarischen und rumänischen Monteure „in sklavenähnlichen Zuständen“ gelebt hätten. Die Bewohner des Brand-Hauses seien „nicht versichert“ gewesen und hätten ihre Papiere bei dem Subunternehmer abgeben müssen. Zudem ist ihnen laut dem Bericht ein Stundenlohn von gerade mal drei Euro ausgezahlt worden.
SDS und Meyer bestreiten diese Vorwürfe nun vehement. Werftsprecher Peter Hackmann betont, dass alle erhobenen Vorwürfe nach seiner Kenntnis „schlicht falsch“ seien. Die in der Unterkunft untergebrachten Männer seien zum einen im arbeitsrechtlichen Sinne „keine Leiharbeiter“, sondern „sozialversicherungspflichtig Beschäftigte“ der Emdener Firma SDS, mit der Meyer Werkverträge über bestimmte Leistungen, „wie zum Beispiel 1.000 Monteursstunden“ abschließe.
Die Meyer-Werft wurde 1795 als Holzschiffswerft gegründet. Das Unternehmen ist in siebter Generation in Familienbesitz.
In Papenburg gab es bis 1920 etwa 20 Werften. Nur die Meyer-Werft überlebte.
1997 übernahm die Werft die 1850 als "Maschinenbauanstalt und Schiffswerft" gegründete Neptun-Werft in Rostock.
Im Februar 2011 wurde ein Vertrag mit Royal Caribbean Cruises für ein Kreuzfahrtschiff mit Ablieferung im Herbst 2014 unterzeichnet.
Die Behauptung, ihnen würden die Pässe abgenommen, sei „absurd“. Hackmann: „Was soll es in einem freizügigen Europa bringen, rumänischen oder bulgarischen Arbeitern die Pässe abzunehmen?“
SDS-Mitgesellschafter Sahinler bestätigt Hackmanns Angaben. Alle Arbeiter seien „angemeldet, gut ausgebildet und versichert“ gewesen, sie hätten von SDS „acht bis zehn Euro Stundenlohn netto“ erhalten. Folglich wolle er sich „den Ruf unserer Firmen nicht durch Presselügen kaputtmachen“ lassen.
Kritik gab es inzwischen von mehreren Seiten. So sprach die Vorsitzende des Osnabrücker Katholikenrats, Agnes Holterhus, am Dienstag unter Bezugnahme auf den Brand von einem „Sumpf mafiöser Subunternehmen“, einem „Missbrauch von Werkverträgen“ und „katastrophalen Wohnbedingungen in dem Haus“. Schon in den vergangenen Tagen waren Vorwürfe laut geworden, das Brandhaus sei mit bis zu 30 Bewohnern hoffnungslos überbelegt gewesen.
Das Wohnhaus sei, so kontert Hackmann die Vorwürfe, „bestimmt keine Massenunterkunft“ gewesen. Auf 400 Quadratmetern hätten bei Ausbruch des Brandes dort 14 Personen gelebt, zwölf von ihnen seien anwesend gewesen.
„Wir diskutieren das Thema der Unterbringung ständig mit unseren Partnern und sehen da genau hin“, beteuert Hackmann. Trotzdem mag er nicht ausschließen, dass „unter den Partnern“, die der Werft Arbeitskräfte vermitteln, „auch mal ein schwarzes Schaf“ sei. Betriebsrats-Chef Thomas Gelder forderte die Werftleitung dagegen zu Gesprächen mit SDS auf, um sicherzustellen, dass in Zukunft alle Arbeiter „vernünftig untergebracht“ würden.
Derzeit arbeiten bei Meyer 290 Leiharbeiter und etwa 1.500 Arbeiter von Unternehmen wie SDS, mit denen Meyer Werkverträge unterhält. „Ohne solche Verträge könnte keine einzige Werft existieren“, betont Hackmann. Der Vechtaer Prälat Peter Kossen spricht hingegen von einem „diabolischen System moderner Sklaverei“.
Unterdessen sind die Brandermittler weiter auf der Suche nach der Ursache für das Feuer. Der Emsländer Polizeisprecher Achim von Remmerden teilte am Dienstag mit, fest stehe nur, dass der Brand im Erdgeschoss, im Bereich einer ehemaligen Sauna ausgebrochen sei. „Dieser Erkenntnisstand wird sich wohl auch in den kommenden Tagen nicht präzisieren“, sagte der Polizeisprecher.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei
Erderwärmung und Donald Trump
Kipppunkt für unseren Klimaschutz
Wirbel um KI von Apple
BBC kritisiert „Apple Intelligence“
EU-Gipfel zur Ukraine-Frage
Am Horizont droht Trump – und die EU ist leider planlos