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Leiharbeit im AlltagWo Pausen Luxus sind

Was Leiharbeit für Betroffene bedeutet, berichteten vier Betriebsräte am Dienstag bei einer Veranstaltung der Linkspartei. Diese sieht das Konzept Leiharbeit als gescheitert an.

Gleiches Geld für gleiche Arbeit - davon träumen Leiharbeiter. Bild: dpa

Spätestens seit der Aufregung um die Outsourcing- und Lohndumpingpolitik der Drogerie-Kette Schlecker wird Leiharbeit verstärkt diskutiert. So auch am Dienstag in Berlin, wo auf Einladung der Bundestasfraktion der Linken unter dem Motto „Moderne Sklaverei statt Jobmaschine“ vier Betriebsräte erzählten, wie sich Leiharbeit in der Praxis anfühlt.

"Nachdem wir es beim fünften Anlauf geschafft hatten, endlich einen Betriebsrat zu gründen, haben wir erst einmal dafür gesorgt, dass wieder Pausen eingeführt werden. Bis zu diesem Zeitpunkt mussten die Mitarbeiter zum Teil bis zu 14 Stunden am Stück im Stehen arbeiten", erinnert sich Marcus Peyn. Der 27-jährige Student aus Kiel ist seit vier Jahren über die Zeitarbeitsfirma TB Personaldienste GmbH im Druckereibetrieb der "Kieler Nachrichten" beschäftigt.

Eine schlechtere Vergütung als für die Stammbelegschaft und das Vorenthalten von Rechten, die eigentlich selbstverständlich sein sollten, sind für Leiharbeiter auch aufgrund rot-grüner Gesetzgebung zum Normalfall geworden. Peyns persönliche Erfahrungen mit der sogenannten Arbeitnehmerüberlassung übertreffen jedoch selbst schlimme Erwartungen: „TB Personaldienste GmbH hieß zunächst TB Verlagsdienstleistungen und gehörte den Kieler Nachrichten selbst, seit 2004 ist es im Besitz der Tabel-Gruppe. Damals sanken die Löhne um die Hälfte auf 6,14 Euro die Stunde“, schildert der Student.

Die Nachtzuschläge wurden von 50 auf 25 Prozent gekürzt, Lohnfortzahlungen im Urlaub oder im Krankheitsfall ganz gestrichen und das Arbeitszeitgesetz fand keine Anwendung, berichtet Peyn. Und noch bevor am 2. Februar dieses Jahres der Betriebsrat der Tabel-Gruppe gewählt werden konnte, hatten alle 389 Beschäftigten bereits ihre Kündigung vorliegen. „Am 30. Juni ist für uns alle Schluss“, sagt Peyn.

Ein solches Vorgehen kann Ali Naghi, Betriebsrat bei Autovision, einem Tochterunternehmen von Volkswagen, kaum nachvollziehen. Autovision bietet unter anderem Personaldienstleistungen an, ist also eine Leiharbeitsfirma und beschäftigt rund 9100 Mitarbeiter. Seinen Arbeitgeber sieht Naghi als Positivbeispiel in Puncto Löhne und Arbeitsbedingungen, denn die Tarifverträge entsprächen fast denen der Stammbelegschaft. „Dennoch gibt es auch in unserem Betrieb Probleme, die wir noch nicht in den Griff bekommen haben“, gibt der Betriebsrat zu. Kritisch sieht er beispielsweise die Kombination aus Leiharbeits- und projektbezogenen Werkverträgen, denn in diesen Fällen hätten Betriebsräte überhaupt kein Mitspracherecht. „Dort können auch wir nicht gewährleisten, dass wer voll arbeitet, von seinem Verdienst auch leben kann.“

Die Mitbestimmungsrechte der Betriebsräte stärken will auch die Bundestagsfraktion der Linken. In der Anhörung am Dienstag forderte sie unter anderem ein Vetorecht für Betriebsräte bei der Einstellung von Leiharbeitern. „Das eigentliche Prinzip hinter dem Konzept Leiharbeit ist in Deutschland gescheitert“, findet der Fraktionsvorsitzende Klaus Ernst. „Leiharbeit ersetzt mittlerweile vor allem Stammbelegschaften. Deshalb fordern wir gleichen Lohn für gleiche Arbeit, plus einen Flexibilitätszuschlag von zehn Prozent.“ So, das erhofft sich Ernst, würde missbräuchlicher Umgang mit Leiharbeit für die Arbeitgeber schlicht unattraktiv, weil zu teuer.

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7 Kommentare

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  • KA
    kleiner Arbeitgeber

    @sinDY: Sorry, aber das ist Blödsinn: Die Zeitarbeitfirma zahlt natürlich Sozialabgaben und stellt diese dann den Leiharbeitgebern in Rechnung. Leiharbeit ist in den meisten Fällen bereits jetzt und trotz geringerer Löhne für den Leiharbeitgeber teurer als reguläre Beschäftigung, da auf den Lohn des Leiharbeitnehmers die Verwaltungskosten, der potentielle Leerlauf des Arbeitnehmers und die Marge der Verleihfirma hinzukommen.

     

    Leider gibt es den oben beschrieben Missbrauch. Dagegen ist vorzugehen, aber deswegen ist das Prinzip Leiharbeit trotzdem gut.

     

    Leiharbeit ist vor allem die Folge des ausgeprägten Kündigungsschutzes in Deutschland. Aufträge und Umsätze schwanken nun mal und dem kann nicht mit Entlassungen begegnet werden. Wer Kündigungsschutz will, muss Leiharbeit dulden.

     

    Ich bin Arbeitgeber, wenngleich auch so klein, dass der Kündigungsschutz nicht greift. Ich würde niemals jemanden einstellen, wenn ich wüsste, dass ich ihn im Zweifel nicht mehr los werde. (Sei es mangels Aufträgen oder Motivation desjenigen)

     

    Bitte nicht vergessen: Durch die rot-grünen Reformen ist die Arbeitslosigkeit von 5 auf 3 Mio. gesunken (trotz Krise) und wird noch weiter sinken.

     

    Leiharbeit bietet fast jedem, der wirklich will und nicht gerade multipel vermittlungsgehemmt ist die Möglichkeit, sofort einen Job zu bekommen.

  • S
    sinDY

    Zeitarbeit in Deutschland dient nicht der Beschäftigungssicherung, sondern der Gewinnmaximierung der Unternehmen, indem sie keine Sozialabgaben für den LAN abführen müssen.

    So einfach ist das.

    Es gibt keine faieren Zeitarbeitsfirmen.

  • P
    peter

    @Klaro

     

    ein weißes Schaf macht aus einer Herde schwarzer Schafe noch keine wießes Herde.

     

    Die Verleiher stoßen nur in das Horn Mindestlohn weil die Arbeitnehmerfreizügigkeit 2011 kommt.

     

    Sie sollten sich mal über das Theater der letzen Tarifverhandlungen, Tarifbindung von fast 100%, informieren. Da merkt man sehr schnell woher der Wind weht und wie sehr den Verleihern ihre Arbeitnehmer am Herzen liegen.

  • K
    Klaro

    Schade, daß von solchen Publizisten immer nur die negativen Beispiele aufgezeigt werden. Die Arbeitnehmerüberlassung dient nicht zuletzt der Beschäftigungssicherung in Deutschland. Die meisten Personaldienstleistungsunternehmen setzen sich für gute Arbeitsbedingungen Ihrer Mitarbeiter ein und fordern die Einführung von Mindestlöhnen in der Branche. Wie in allen Branchen, gibt es leider auch in der "Zeitarbeit" schwarze Schafe.

    Es liegt an den Arbeitnehmern der auffälligen Unternehmen sich umzuorientieren und "Gute Arbeitgeber" zu suchen. Wozu staatliche Regulierung führt, haben wir ja in der Vergangenheit gezeigt bekommen.

  • L
    Lucanus

    "Leiharbeit ist für eine moderne Industrie notwendig um Spitzen abzudecken...!" - klar doch. Aber wie der Artikel schon richtig darlegt wird sie mißbraucht um Stammbelegschaft abzubauene. Deshalb Daumen hoch für den Vorschlag, Leiharbeit zu verteuern - und zwar vom ersten Tag an minimal die Kosten für Stammbelegschaft (das schließt Nebenkosten wie Sozialabgaben ein). Und damit es teurer wird dann die 10% drauf. Ob die erst ab 3. Monat fällig werden, an den Leiharbeiter oder in Form einer Abgabe an Bund,Länder u/o Gemeinden geht ist dann nebensächlich

  • F
    FreiburgMarkus

    Wieso "guter Lohn" erst ab dem dritten Monat? Wenn jeder Leiharbeiter mindestens genauso viel kostet wie ein normaler Mitarbeiter, wenn nicht sogar mehr, dann lohnt das tatsächlich nur noch in Spitzenzeiten. Wenn zum Beispiel gegen Ende eines Auftrags Zeitdruck entsteht und man dann schnell noch mal drei Leute zusätzlich bekommen kann. Das wäre dann immer noch billiger als die Vertragsstrafen....

     

    Wenn Leiharbeiter einen "guten Lohn" bekämen, wäre aber die Lohndrückerei a la Schlecker endlich vorbei.

  • B
    BerlinMarcus

    Leiharbeit ist für eine moderne Industrie notwendig um Spitzen abzudecken...! Man sollte aber für eine guten Lohn sorgen (z.B.Durchschnittslohn der Stammbelegschaft ab den 3 Monat im Betrieb).