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■ Leider nur für Fachbesucher: ISM – Das internationale Isten-Treffen in KölnNudism in Judaism

Die Kölner Messe will über sich und den Branchendurchschnitt hinaus wachsen. Das jedenfalls kündigte am vergangenen Mittwoch die Messegesellschaft der Domstadt an. Zu diesem Behufe soll im nächsten Jahr die Hallenfläche vergrößert werden, desweiteren geplant sind eine Ausweitung der Dienstleistungspalette sowie der Ausbau des Messeprogramms und eigener Messeveranstaltungen im Ausland. Die Rangfolge der internationalen Messegesellschaften in punkto Hallenfläche werde sich dadurch zwar nicht verändern: Spitzenreiter bleibe Hannover, auf Platz zwei und drei stehen Frankfurt am Main und Mailand. Köln muß sich platzmäßig auch weiterhin mit dem traurigen vierten Platz begnügen. Und das, obwohl die Internationalität der Kölner Messe weltweit als führend gilt – das behauptet jedenfalls ihr Chef, Jochen Witt. Um sich selbst zu toppen, soll deshalb nun unbedingt die selbstlöbliche Internationalisierung der Kölner Messe gesteigert werden.

Angesichts des „Expo-Cafés“ in Hannover, dessen Gäste mindestens so deppert sind wie die Besucher von Berlins Daimler-City, der ersten dreistöckigen Fußgängerzone Deutschlands mit Dach; angesichts der vielen Zeitungen, die immer häufiger auf ihrer ersten Seite Deutschland, Deutschland über alles andere Weltgeschehen setzen oder gar titeln „Kölner Karneval kaputt“, „Düsseldorf: Alt wird teurer“...; kurz: angesichts der unter Kohl so viel beschworenen deutschen Provinzialisierung, die unter Schröder nun endlich umgesetzt wird, möchte man freudig-erregt ausrufen: „Juchu, Internationalisierung, ein toll-dreistes Wagnis!“

Nun macht die Kölner Messegesellschaft schneller als gedacht wahr, was sie letzte Woche so vollmundig angekündigt hat: Seit kurzem ertönt im schönen Kölner Stadtteil Deutz der zarte Sirenen- Ruf eines pinken Werbeposters: „31.1.-4.2.1999: Wir sehen uns – Face to Face – ISM“. Das vorbeihuschende Auge erkennt darauf gerade noch einen weiteren, kleinen Schriftzug: „Nur für Fachbesucher“. Und das Hirn hinter dem menschlich-natürlichen Sehgerät kombiniert messerscharf, wer da Anfang des kommenden Jahres auf dem Kölner Messegelände ein Treffen abhalten wird: Die Gesellschaft der anonymen Isten.

Diese kleine Schar Menschen hat sich allen erdenklichen Ismen verschrieben – also auch dem Internationalismus. Deshalb fiel es den Isten nicht schwer, in vorauseilendem Opportunismus den neuesten Plänen der Kölner Messegesellschaft zu entsprechen, und deshalb patschten sie auch auf ihr Poster das englische Ideom für Ismus – eben: Ism. Schade, daß lediglich zu erahnen ist, wie da die anonymen Anhänger von Egoism und Altruism, Capitalism und Communism mit denen von Modernism und Conservatism plaudern und palavern werden – über Beschismus im Faschismus, über Nepotismus bei Nepomuk, Nutella und Nutoka oder über die Rote-Socken-Kampagne im Nikolausismus. Von Fatzke zu Fatzke und natürlich auf englisch. An den Messeständen, auch das ist zu erahnen, werden Broschüren zu Themen wie Nudism in Judaism, Positivism in Alcoholism oder Liberalism or Exhibitionism ausliegen.

Ja, internationaler Messismus ist süß, so süß wie die alljährliche internationale Süßwarenmesse. Das wissen auch der Chef der Kölner Messegesellschaft und seine Internationalisten-Freunde. Ob sie jedoch auch wissen, daß in Köln grundsätzlich der Kölnismus an erster Stelle steht, auf den Plätzen zwei und drei Provinzialismus und Nationalismus folgen, und der Internationalismus sich mit dem traurigen vierten Platz begnügen muß? Nicht umsonst heißt es schließlich auf kölsch: „Mer losse de Dom in Kölle“ – wir lassen die Kirche im Dorf. Björn Blaschke

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