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■ LeichtathletikGeldmeisterschaften

In der Leichtathletik geht es immer weniger um Zentimeter und Sekunden. Die neueste Einheit, an der sich der Erfolg der AthletInnen zu bemessen scheint, ist der Dollar. Basierten die Weltmeisterschaften noch auf dem mittelalterlichen Prinzip des Tauschhandels – Mercedes gegen Leistung –, so wurden die darauffolgenden Meetings zu wahren Geldmeisterschaften.

Beim letzten Wettkampf der Saison, dem Grand-Prix-Finale in London, war „Riesen“-Zahltag, wie uns dpa mitteilt. So gesehen, muß der Betrachter annehmen, war London ein „Riesen“-Erfolg: Die Rekordsumme von 2,3 Millionen Dollar, das Dreifache des Vorjahres, wurden ausgeschüttet.

Als Großverdiener des kühlen Abends bei 14 Grad sicherten sich Hoch-Stabler Sergej Bubka (Ukraine) und Hürdenläuferin Sandra Farmer-Patrick (USA) mit jeweils 130.000 Dollar den Löwenanteil vom Kuchen. Sie gewannen damit mehr als die acht deutschen Teilnehmer, die gemeinsam auf 128.000 Dollar kamen. Weltmeister Lars Riedel, der das Diskuswerfen gewann, verdrückte das größte Tortenstück – 42.000 Dollar, immerhin dürfte das Muskelpaket auch den größten Hunger verspüren.

Nicht, daß wir uns falsch verstehen: Profi-Sportler gehen ihren Geschäften nach, setzen im Zweifelsfall Prioritäten gemäß der Profitskala. So wie Heike Drechsler, die am 23. September, statt in Monaco für Berlin zu werben, auf einen Sprung nach Tokio eilt, der ihr Einkommen um 60.000 Dollar bereichert. So wie sie vor Wochen lieber die Deutschen Meisterschaften ausließ, den nationalen Lorbeer in den Sand setzte, um in Oslo für eine Aufbesserung der Haushaltskasse zu sorgen. Okay, okay. Sollen sie doch. Allerdings mutet es schon seltsam an, wenn Zuschauer besser über die Verdienstmöglichkeiten auf der Tartanbahn informiert werden als über die dahinterstehende sportliche Leistung. Vielleicht sollte man ein neues Kapitel der Rekorde schreiben: Wer verdient am meisten. Höchst spannend. Besonders fürs Finanzamt.

Obwohl es um viel Geld geht, scheint es mit dem Kopfrechnen in der Leichtathletik indes nicht allzu gut bestellt zu sein. So vermuten amerikanische Trainer, daß die Chinesin Wang Junxia bei ihrem Fabel-Weltrekord über 10.000 m, bei dem sie die Marke der Norwegerin Ingrid Kristiansen um satte 42 Sekunden unterboten hatte, eine Runde zu wenig getrippelt sei. Die 29:31,78 Minuten hochgerechnet auf 25 Runden ergäben 30:40 Minuten und wären immer noch die drittschnellste Zeit, die eine Frau je gelaufen ist. Ob die Zähl-, pardon, Zahl-Meister am Samstag in Peking eins und eins addieren konnten, wurde noch nicht erörtert. Jedenfalls lief da eine weitere Dame aus dem Reich der Mitte Weltrekord – Qu Yunxia unterbot in Peking die 13 Jahre alte 3.000-m-Bestmarke der Russin Kasankina um zwei Sekunden und lief 3:50,46 Min.coh

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