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Archiv-Artikel

Leibstandarte M. F.

Exbodyguards von Michel Friedman sollen Nazi-Liedchen gehört und SS-Uniformen getragen haben. Was nun?

Michel Friedman begab sich als Reporter für das People-Magazin Vanity Fair in sinistre Ostberliner Kneipen, um dort Neonazis zu interviewen. Er hätte nicht in die Ferne schweifen müssen, denn die Rechtsextremen waren ihm ganz nah. Das hessische Innenministerium bestätigte gestern Ermittlungen gegen frühere Leibwächter Friedmans. Der Vorwurf: Verwenden von Nazisymbolen.

Der Ex-Vizechef des Zentralrats der Juden wurde also vielleicht von Neonazis vor Neonazis beschützt. Genau lässt sich das noch nicht sagen, weil die „Ermittlungen noch andauern“, wie es aus dem Innenministerium in Wiesbaden heißt. Es ist zuständig, weil das Polizeipräsidium Frankfurt/Main die Bodyguards stellte. Friedman ist „außerordentlich bestürzt und betrübt“.

Im Sommer 2005 leiteten Frankfurter Staatsanwälte gegen die Personenschützer Ermittlungen ein, damals ging es laut einem Bericht der Bild noch um den Verdacht, die Personenschützer hätten Abrechnungen und Überstundenzettel gefälscht. Doch dann sollen die Ermittler auf dem Computer eines Beamten das Horst-Wessel-Lied, die Hymne der NSDAP, gefunden haben. Auf einem Foto habe ein Personenschützer stolz in SS-Uniform posiert, schreibt das Blatt. Zudem sei eine Urkunde „im Namen des Führers“ für „besondere Dienste bei der Standarte M. F.“ gefunden. Das sind die Initialen von Michel Friedman.

Später gab es gegen diesen Beamten und zwei weitere ein Verfahren wegen des „Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen“. Zwei Verfahren wurden inzwischen wieder eingestellt. Also nichts dran an den Nazi-Vorwürfen? Offenbar genug, um Friedmans Bewacher aus ihren Jobs zu werfen. „Keiner der betroffenen Beamten ist dort noch eingesetzt“, heißt es aus dem Ministerium.

Ob Polizisten wie im Mai 2006 in München den Hitlergruß zeigen oder wie im Herbst 2004 brandenburgische Asiaimbisse mit Baseballschlägern traktieren, sie fallen des Öfteren aus ihrer Rolle. „Signifikant sind rechtsextreme Einstellungen in den vergangen Jahren in der Polizei nicht aufgefallen“, meint Wolfgang Birkenstock, der Vizechef der Deutschen Hochschule der Polizei. Aber: „Die Polizei ist ein Spiegelbild der Gesellschaft.“ Daher fänden sich auch bei Beamten fremdenfeindliche Einstellungen. Die seien allerdings in den 90er-Jahren verbreiteter gewesen. Genaue Zahlen gibt es nicht, weil die Behörden nicht daran interessiert sind, rechtsextreme Vorfälle zu veröffentlichen. „In anderen Feldern ist die Dunkelziffer das Problem“, sagt Ulli Jentsch vom Antifaschistischen Pressearchiv, „hier haben wir nicht mal ein Hellfeld.“

DANIEL SCHULZ, ANDREAS SPEIT