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Lebenslange Haft für US-Sergeant

■ Der Warschauer Pakt wußte alles: Mindestens zehn Jahre militärische Geheimnisse an östliche Geheimdienste verkauft / Richter: Die Nato wäre im Kriegsfall am Ende gewesen

Koblenz (dpa) - Das Koblenzer Oberlandesgericht hat den früheren Feldwebel der US-Armee in Bad Kreuznach, Clyde Lee Conrad, gestern wegen Landesverrats in einem besonders schweren Fall und geheimdienstlicher Agententätigkeit zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt. Der 43jährige Amerikaner wurde in dem Indizienverfahren nach 24 Prozeßtagen für schuldig befunden, mindestens von 1975 bis 1985 entscheidende militärische Geheimnisse an den ungarischen und den tschechoslowakischen Geheimdienst verraten zu haben. Im Gegenzug dafür soll er mehr als zwei Millionen Mark kassiert haben.

Das Gericht folgte dem Antrag der Bundesanwaltschaft, deren Anklage 25 Aktenverbände mit mehr als 5.000 Seiten umfaßte. Conrad hatte sich in dem Mammut-Verfahren, in dem 22 Zeugen und fünf Sachverständige gehört wurden, nicht zu den Vorwürfen geäußert. Nach den Feststellungen des Senats hat Conrad jahrelang „Berge von hochgeheimem Material an den Osten preisgegeben, darunter militärische Einsatzpläne, Fotos, Kartenmaterial, Urkunden, Manöverauswertungen, Befehle über den Einsatz von Atomwaffen im Kriegsfall, die Lagerung von Waffen und Munition. Auch habe er Einsatzpläne für US-Truppen in den Nato-Ländern bei „besonderen Ereignissen“ wie einem Regierungsumsturz geliefert - Pläne, die nicht einmal den Bündnispartnern bekannt sind. Außerdem gab Conrad „General-Defense-Pläne“ an seine Auftraggeber, die Einzelheiten über die gesamte Nato-Verteidigung enthalten.

Bei Ausbruch eines Krieges wäre die Strategie der Nato zusammengebrochen, schätzte der Vorsitzende Richter Ferdinand Schuth die Folgen des Verrats ein. Der Westen hätte nur kapitulieren oder auf deutschem Boden Atomwaffen einsetzen können, meinte Schuth. Er bezeichnete den Angeklagten als skrupellosen Verbrecher, der nur aus Geldgier gehandelt habe.

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