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Leben als bekennende Lesbe

■ Die lesbische Rock-Sängerin Melissa Etheridge über Outing, Eltern, Liebe

Disziplin zählt sie ebenso wie Geduld zu ihren Stärken. Also steht Melissa Etheridge morgens um sieben auf, um in Europa Journalisten anzurufen, damit die auch etwas über sie schreiben: „Ja, verdammt, es ist ja fast noch mitten in der Nacht“, sagt sie und lacht. Und mühsam, so erzählt sie, sei es schon, einfach nur als Musikerin genommen zu werden, die auf der Bühne und auf ihren mittlerweile fünf CDs Stücke in Arrangements präsentiert, die bislang eher mit männlichen Musikern in Verbindung gebracht wurden. „Aber was soll ich mich drüber ärgern, daß ich der ,weibliche Bruce Springsteen' genannt werde? Ist doch wohl als Kompliment gedacht. Okay, ich bin eine Frau, aber solange mich nur wenige Leute kennen, geht das schon in Ordnung.“

Ein langer Weg nach Europa. Überhaupt wurde Melissa Ethe-ridge anfänglich nur wahrgenommen von melancholisch gestimmten Lesben, denn die in Kansas geborene Frau sang überhaupt keine lieblichen Lieder zur Querflöte und Wandergitarre, sondern vom harten Stoff, den man Leben nennt. Sie mußte sich in Geduld üben – mit Barbra Streisand-Medleys, die sie in einer kalifornischen Lesbenkneipe sang, hielt sie sich über Wasser, bis sie, wie es so blöd heißt, von einer Plattenfirma entdeckt wurde und gar nicht erst auf harmloses Tutchen machen mußte. Etheridge, das waren fortan Songs auf der E-Gitarre, in denen sie von Eifersucht, Wut und Liebe berichtete. Das klang zornig und immer gemäß ihrem Credo, das sie auch in einem Lied zum Ausdruck brachte: „Like the way I do“.

Ihre Hörerinnen sollten belohnt werden: Anfang 1993, gelegentlich der Inthronisationsfeiern für Bill Clinton, outete sie sich bei einer öffentlichen Party auf der Bühne als Frau, die, schreibt sie über Liebe, vornehmlich die unter Frauen meint: „Ich meine, das war schon sehr befreiend für mich, das zu sagen. Nun konnte es keinen Zweifel mehr geben, wen ich im Blick habe, wenn ich vom Kummer singe. Oder vom Verliebtsein.“

Nach ihrem Coming Out ging ihr manchmal durch den Kopf, was wohl jetzt ihre Eltern auszustehen haben, in Leavenworth, einem Kaff, in dem Schwule und Lesben öffentlich nur im Fernsehen vorkommen – wenn in den Nachrichten aus den Metropolen berichtet wird. „Aber es war großartig. Alle fanden das toll, haben meine Eltern erzählt. Und die sind jetzt ganz stolz auf mich.“

Gewiß, das gibt sie zu, waren schon einige Kollegen aus der Showbranche mehr als nur eine Sekunde irritiert: Als die Countrysängerin Trisha Yearwood, keine Lesbe, aber durchaus aufgeschlossen für die feministische Sicht der Weltdinge, Etheridges herzzerreißendes Liebestrennungslied „You Can Sleep While I Drive“ auf ihr Album nehmen wollte, rieten ihr die Nashvillefürsten ab. Yearwood wies ihre Kritiker natürlich zurück. Und die Komponistin sagt: „Das tut gut, natürlich. Aber inzwischen ist die erste Sensation schon vorbei. Für mich ist es normal, so zu sein wie ich bin.“

Your Little Secret, ihren neuen Tonträger, wird sie, neben älteren Titeln, auf ihrer Tournee vorstellen. Es wird sich lohnen. Wer eher dem Urteil Randy Newmans traut, dem sei hier ein Ausspruch der Liedermacherlegende nachgereicht: „Eine großartige Songschreiberin. Für mich das größte Talent seit Prince.“ Jan Feddersen

mit Joan Osborne: Di, 13. Februar, 19.30 Uhr, Sporthalle

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