: Lauter Gitarren: Ein Bremer baut die lauteste
■ Stephan Schlemper will eine Achtkant-Pyramide, ein Mini-Mikrophon und ein Tonabnehmersystem passend in eine Marktnische der Gitarrenbauerkunst einbauen und damit Konzertgitarristen den Frust ersparen, ungehört zu bleiben
Stephan Schlemper ist ein Typ, der klassische Gitarren liebt, aber klassische Gitarrenkonzerte sterbenslangweilig findet. Der gern lange schläft und morgens sein
Mohnbrötchen in Capuccino stippt, dabei aber über professionelles Marketing und Produkt-Management nachdenkt. Der am liebsten in seinem sympathischen
Werkstattdurcheinander in Findorff an Intarsienarbeiten bastelt, aber kapiert hat, daß es mindestens genauso wichtig ist, sich in schickem outfit auf internationalen Messen herumzutreiben.
Jedenfalls, wenn man sich vom Selfmade-Gitarrenbastler zum Selfmade-Geschäftsmann hocharbeiten und den Stand seines Kontos in möglichst vielstellige schwarze Zahlen hochkatapultieren will. Und genau das will Stephan Schlemper. Die Idee, wie das funktionieren soll, lebt davon, woran die klassische Gitarre krankt. Sie ist zu leise für große Konzertsäle, zu leise im Zusammenspiel mit klassischen Symphonie-Orchester, zu leise im Jazzkeller neben E -verstärktem Schlagbaß, Saxophon und Schlagzeug. Während Tasteninstrumente über Jahrhunderte vom zirpenden Clavichord -Klang im höfischen Kammermusikzimmer mit Steinways voluminösem Flügel-Sound in den bürgerlichen Konzertsaal hineinwuchsen, blieb die Gitarre, was sie war: ein leises, filigranes Zupfinstrument. Wo immer sich Frauen und Männer heute an den Saiten akustischer Gitarren mühen, haben sie deshalb einen mehr oder freudlos-frustrierenden Job. Man hört sie nicht oder kaum und schon gar nicht in Würdigung der mühsam erworbenen Finessen ihrer Anschlagtechnik.
Mit einer achteckigen Holz-Pyramide in der Größe einer wohnzimmergerechten Hifi-Box, einem winzigen Mikrophon in Rudi-Carell-Reversknopfloch-Größe und einem elektrischen Tonabnehmer im Gitarrenschallloch will Schlemper der klassischen Gitarrenkunst zu neuen Ehren und vor allem zu lauterem Gehör verhelfen. Das ist das eine.
Das andere ist: Allein vom Traum, wunderschöne Gitarren von Hand zu bauen, sie für viel Geld an die berühmtesten Konzertgitarristen der Welt zu verkaufen und dabei selbst berühmt
und möglichst reich zu werden, kann heute niemand mehr leben. Jedenfalls nicht Thomas Schlemper. Vor acht Jahren baute der Spanisch-Student, der nie eine Gitarrenbauerlehre absolviert hat, seine erste Gitarre und verkaufte sie für 700 Mark: Selbstkostenpreis für feinste Rio-Palisanderhölzer und mühsam aufgebrachten Schellack. Inzwischen hat Schlemper endgültig Abschied von der Karriere eines Spanisch- und Werkstudienrats in deutschen Klassenzimmern genommen und baut stattdessen zwölf Gitarren im Jahr zu Stückpreisen von 3.500 (ohne Verstärkertechnologie) bis 5.000 Mark (mit delikat verstecktem Mikrofönchen, unauffälligen Klangreglern im Wirbelkasten und Tonabnehmersystem im sterlingsilber eingefaßten Saitenhalter). Ziel der High-Tech im Gitarrenkorpus: Man soll sie möglichst wenig sehen und möglichst noch weniger hören; mit angeschlossener Box aus gleichenm Hause soll die
klassische Gitarre aber E-Gitarren-verdächtige 112 Dezibel erreichen können. Tatsächlich klingt das Ganze, wenn der Meister selbst in die Saiten greift, trotz Elektronik sehr schön klassisch und bei enstprechender Reglerstellung sehr schön nachbarsärgerlich.
Ob seine Erfindung (Gebrauchsmusterschutz angemeldet) tatsächlich in die Marktnischen der Gitarrenbauerkunst paßt, weiß Schlemper selbst noch nicht so recht, will es aber auprobieren und wacker ankämpfen gegen die Vorurteile der erhofften Künstler-Kundschaft: Bei der konzertierenden GitarristInnen-Mehrheit nämlich gelten mehr als sechs Drähte, gar Transistoren und Equalizer immer noch als Teufelswerk. Mut und Kopfzerbrechen gleichzeitig bereitet Schlemper immerhin, daß Marktgigant Yamaha zur Zeit ein ähnliches, wenn auch von lieblosen Maschinen zusammengehauenes Modell auf dem Markt bringen
will.
Um rauszukriegen, ob zwischen Yamaha und Ovation-Gitarren zumindest für 12 Schlemper-Gitarren jährlich ein Plätzchen auf dem Markt ist, will Schlemper, der außer einem Besuch bei der Bremer Erfinderberatung noch keinerlei Kontakte zu wirtschaftsfördernden Bürokratien geknüpft hat, jetzt regelmäßig aus seiner Findorffer Werkstatt in die große weite Welt aufbrechen, in der Linken den Gitarrenkasten, in der Rechten den maßgescheiderten Beutel mit Verstärkerbox: Messebesuche, hochkarätig besetzte Gitarrenkurse, Hausbesuche bei berühmten Konzert-Gitarristen. Nebenbei träumt Schlemper zwei große Träume: Von einem Instrumentenbauerhaus in Bremen mit gemeinsamem Verkaufsraum und kleinem Konzertsaal, und von einer Schlemper-Gitarre in den begnadeten Zupfhänden des weltberühmtesten Konzertgitarristen John Williams.
K.S.
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