Lauschangriff nach 9/11: BND durfte mithören
Abhöraktionen nach dem 11.September: Es war rechtens, dass der Nachrichtendienst ohne Verdacht Telefone überwacht hat, entschied das Gericht.
LEIPZIG taz Der Bundesnachrichtendienst (BND) durfte nach den Anschlägen von New York den deutschen Auslandstelefonverkehr "strategisch", das heißt ohne konkreten Verdacht, überwachen. Dies entschied am Mittwoch das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig. Zum ersten Mal hatte sich ein konkret Betroffener gegen eine solche Maßnahme gewehrt.
Bei der strategischen Telekomüberwachung kontrolliert der Auslandsgeheimdienst BND stichprobenweise den Telefon-, Fax- und E-Mail-Verkehr mit bestimmten Ländern. Die BND-Computer zeichnen die Kommunikation auf, wenn in einer E-Mail bestimmte Suchworte verwendet oder per Telefon bestimmte Rufnummern angerufen werden.
Früher sollte damit ein Angriffskrieg entdeckt werden. Seit 1994 wird das Instrument aber auch gegen Terroristen und die organisierte Kriminalität eingesetzt. Ein Gremium des Bundestags genehmigt die Maßnahmen. So wurden etwa im Jahr 2005 auf der Suche nach Terroristen 24427 Nachrichten aufgezeichnet, 83 davon wurden vom BND näher geprüft und 21 als relevant eingestuft. Nur in einem Fall waren die Informationen für die Sicherheit so wichtig, dass sie an die Polizei weitergegeben wurden.
Obwohl es sich hier um Eingriffe handelt, die jeden treffen können, hat das Bundesverfassungsgericht die strategische Kontrolle des BND 1999 abgesegnet. Geklagt hatte unter anderem die taz, die den Informantenschutz bedroht sah.
Die Richter in Karlsruhe forderten allerdings, dass die Betroffenen sobald wie möglich von der Aufzeichnung unterrichtet werden müssen.
Der Jordanier Abu D. war Ende 2006 informiert worden, dass der BND Ende 2001 fünf Nachrichten von ihm gespeichert und an das BKA weitergegeben hat. Bei einem Gespräch am 18. Oktober 2001 soll er dem später im Irak getöteten Al-Qaida-Vorkämpfer Abu Mussab al-Sarkawi die Treue versprochen haben.
Polizei und Verfassungsschutz überwachten ihn deshalb weiter. Mit seiner Al-Tawhid-Zelle soll er dann Anschläge in Deutschland geplant haben. Aufgrund der Aussagen eines dubiosen Kronzeugen wurde er 2005 vom Oberlandesgericht Düsseldorf wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung zu acht Jahren Haft verurteilt.
Er und sein Anwalt Jens Dieckmann beanstandeten nun, dass die BND-Überwachung unzulässig gewesen sei. Wegen der anderen Beweise hätte das aber an der Verurteilung nichts geändert. "Uns geht es nur um den Schutz der Grundrechte", so der Anwalt. Er bemängelte, dass Ende 2001 die laut Gesetz erforderliche Gefahr von Anschlägen mit "unmittelbarem Bezug" zu Deutschland nicht bestand. "Es genügt nicht, dass der BND Informationen sammelt, die für andere Geheimdienste interessant sind", so Dieckmann.
Die Richter hielten die BND-Kontrolle aber für rechtmäßig, schließlich habe man damals befürchtet, dass in Deutschland sogenannte Schläfer, also unentdeckte Terroristen, weitere Anschläge planen. CHRISTIAN RATH
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