Laudatio von Elke Schmitter : Alessandra Korap Munduruku
Elke Schmitter würdigt Alessandra Korap Munduruku, Gewinnerin des taz Panter Preises der Leser:innen.
Im Folgenden bilden wir das Manuskript der Laudatio von Elke Schmitter auf Alessandra Korap Munduruku ab, Gewinnerin des Leser:innenpreises beim taz Panter Preis 2020. Die Laudatio wurde am Abend des 14. November bei der Verleihung live auf YouTube gehalten. (Anm. d. Red.)
Wir wissen alle, dass jede Nominierte, jede der fünf Kanditaten, einen Preis verdient hat. Auch die Leser:innen, die abgestimmt haben, die sich die Filme angesehen und die Portraits gelesen haben, wissen das. Sie haben trotzdem eine sehr klare Entscheidung getroffen. Die in mancher Hinsicht überrascht.
Der Publikumspreis der Panter-Stiftung geht an eine Kandidatin ohne Website. Sie lebt weit entfernt vom Hambacher und vom Leipziger Wald. Sie spricht kein Deutsch, sie spricht kein Englisch. Sie kann aber sehr laut sprechen. Und ihre Fäuste gebrauchen, um damit auf einen Tisch zu hauen, um den herum brasilianische Abgeordnete sitzen.
Es lohnt sich, diesen Mitschnitt auf YouTube anzusehen. Nicht nur, weil eine kleine, traditionell bemalte Indigene in einem ärmellosen Kleid die Anzugträger und bürgerlichen Frauen um sich herum offensichtlich ins Nachdenken bringt. Sondern weil in ihrer kurzen, wütenden Rede alles enthalten ist, was auf den Konferenztisch gehört: Die Rechte der Munduruku am Amamzonas, für die sie spricht. Die Macht des Kapitals, das mit Rodungen für den Sojaanbau, mit Eisenbahntrassen, mit Flugzeugen und mit Gewalt den Lebensraum ihres Volkes zerstört. Die Bedeutung der Identität, die sie verteidigt gegen Politiker:innen, die nicht wissen und nicht begreifen wollen, wo in ihrer Kultur das Glück und die Seele sitzen – nicht unbedingt in der Leber, wo es für die meisten reichen Christen zu sitzen scheint, die enorme Mengen Rindfleisch und Alkohol verdauen.
Unterschiede und gemeinsamer Kampf
Die Munduruku jagen Krokodile mit Pfeil und Bogen, ernähren sich aber hauptsächlich vegan. Sie haben andere Schöpfungsmythen als ihre Verfolger, sie heilen ihre Krankheiten mit dem Schamanismus, sie leben auf andere Weise zusammen. Sie zählen anders als wir. Aber auch in ihrer Gesellschaft war es bis vor kurzem nicht üblich, dass Frauen äußerlich wirksame Posten bekleiden und ihre Stimme erheben.
In dieser Hinsicht ist Alessandra Korap denen, die sie gewählt haben, auf gelungene Weise nah. Ihre Wahl ist eine Überraschung und eine Bestätigung der erfreulichen Seite der Globalisierung. Mit Hilfe ihrer Arbeit – die, was nicht überrascht, gefährlich ist, derzeit hält sie ihre Adresse geheim – mit Hilfe ihrer Arbeit und dem Engagement vieler Aktivist:innen aus fast der ganzen Welt wurde das Staudammprojekt São-Luiz-do-Tapajós am Amazonas verhindert, vor vier Jahren meldete Greenpeace diesen Erfolg. Für die Bilanz von Siemens war das eine Enttäuschung.
Und damit kommt der Pfeil direkt wieder zu uns. Denn nichts von dem, wofür Alessandra Korap ihre bemerkenswerte Stimme erhebt, erledigt sich von selbst. Das Kapital ist vernetzt, aber wir sind es auch. Dass man ein solches Wir aussprechen kann, ist ein politisches Glück. Ich freue mich, den Leser innenpreis der Panter Stiftung für das Jahr 2020 an Alessandra Korap zu übergeben.
Elke Schmitter, ehemalige Chefredakteurin und Kuratoriumsmitglied der taz Panter Stiftung.