Lars Schwenk, Fertiggericht-Erfinder: "Der Deutsche ist kein Reis-Esser"
Lars Schwenk war Unternehmensberater in Asien. Von dort hat er sich die Idee für gesunde Fertiggerichte mitgebracht, die er jetzt von Hamburg aus zu verkaufen versucht.
taz: Herr Schwenk, braucht die Welt eine weitere Fertiggerichte-Reihe?
Lars Schwenk: Die Welt müsste sich einfach nur gesünder ernähren. Ob man das mit Fertiggerichten tut oder selber kocht, ist egal.
Kann das gesund sein?
42, Diplom-Kaufmann, hat während eines Praktikums in Fernost Chinesisch studiert und konnte mal 850 Schriftzeichen. In Südkorea baute er drei Jahre lang ein Joint Venture auf. Dabei hat er das asiatische Fast Food kennen und lieben gelernt.
Wenn ich Lust habe, schnell was zu essen, laufe ich in den Supermarkt, finde aber nichts Gesundes. Entweder ist es zu fett oder zu süß. Convenience Food hat einen schlechten Ruf, das muss aber nicht sein.
Was unterscheidet Ihre Fertiggerichte vom herkömmlichen Angebot?
Wir sind eine Manufaktur. Unsere Gerichte sind komplett frei von Konservierungsstoffen. Alle Zutaten werden ganz sorgfältig ausgesucht und zubereitet. Und sie sind immer frisch.
Wie sind Sie auf die Idee gekommen?
Convenience basiert auf der Idee der Bequemlichkeit: Entweder ich habe keine Zeit oder keine Lust, mir was zu kochen, also kaufe ich mir was. Das ist in Asien viel verbreiteter als hierzulande – besonders in Tokio, weil dort viele Leute gar keine Küche mehr haben. Der Mietpreis ist so hoch, dass an den Küchen gespart wird. Daher sind die im Convenience-Bereich viel weiter als wir.
Was haben Sie aus Japan übernommen?
Ein klassisches Onigiri – das ist der Vorläufer von Sushi, ein Reisdreieck, das mit einem Geschmacksträger gefüllt ist: Fisch, vergorene Pflaume, es kann alles sein. Die Idee ist fantastisch. Es ist gluten- und laktosefrei, frisch und enthält sehr wenige Kalorien und sehr wenig Fett. Ein perfekter Snack eigentlich, aber: Der Deutsche ist kein Reis-Esser. Also haben wir das Produkt angepasst. Wir füllen es nicht, sondern belegen es dick – wie ein Sandwich. Wir haben den Anteil des Reises verringert und den des Belags erhöht. Bei uns heißt das Ding Wichy.
Auf ihren Packungen steht „Modern Food Collection“. Was meinen Sie damit?
Es gibt schon so tolle Ideen auf der ganzen Welt. Man muss nicht alle neu erfinden. Es ist nur wichtig, dass man sie erkennt und anpasst. Uns hat in Deutschland geärgert, dass es diese Frische-Convenience nicht gab.
Ihre zweite Idee stammt auch aus Japan?
Einen ähnlichen Becher habe ich einmal im Hauptbahnhof von Tokio gesehen, als ich mir Suppe kaufte. Ich dachte mir: Wie simpel und genial ist das denn? Der Becher bietet die Basis, etwa einen Eintopf, und im Deckel sind die Extras. Der Vorteil ist, dass diese Zutaten – Lachs, Croûtons, Soße – ihren Geschmack behalten und sich nicht mit dem Gemüse, der Suppe oder den Nudeln zu einer Pampe vermengen.
Wie sind Sie nach Asien geraten?
Ich habe in China Betriebswirtschaft studiert und in Asien gearbeitet. Unter anderem habe ich ein Joint Venture aufgebaut zwischen der deutschen und der südkoreanischen Telekom. Durch dieses Joint Venture war ich unheimlich oft in Seoul. Und was macht man in Seoul, wenn da ein Gast ist? Man geht essen – und ganz viel Karaoke singen. Und danach muss man wieder was essen. Dort kam ich zum ersten Mal in Kontakt mit den Onigiris.
Wie kamen Sie auf den Gedanken, das in Deutschland anzubieten?
Ich wollte aus der Online-Branche raus und was Echtes machen. Ich hatte ein Social Network aufgebaut und Software-Firmen beraten. Das war mir aber alles zu virtuell. Ich wollte mal ein Produkt machen, das ich auf den Tisch legen kann und für das ich echtes Geld bekomme. Dann aß ich in Tokio wieder mal ein Onigiri und dachte: Es gibt bestimmt einen Grund dafür, dass es das in Deutschland nicht gibt. Ich kam zurück und stellte fest: Es gab keinen Grund. Es hatte zwar schon jemand versucht. Das war aber ein Flop, weil das Produkt zu viel Reis enthielt. Als ich selbst loslegte, haben mich erst mal alle ausgelacht.
Warum?
Weil der Food-Bereich die höchsten Markteintrittsbarrieren hat. Man hat ein Logistik-Problem, weil man die Ware von A nach B bringen muss. Man braucht eine Produktion. Es gilt, viele gesetzliche Auflagen zu erfüllen. Außerdem ist der Markt sehr geschlossen. Wenn man die Leute nicht kennt, ist es ganz schwer, reinzukommen. Man kann zwar Aldi eine E-Mail schicken, dann kommt aber eine automatische Antwort: Bitte treten Sie nicht mit uns in Kontakt – wenn wir Interesse haben, treten wir mit Ihnen in Kontakt.
Wie haben Sie es geschafft, diese Hürde zu überwinden?
Wir haben ein gutes Produkt entwickelt. Das hat lange genug gedauert. Ich brauchte unbedingt jemanden, der kochen kann, einen der besten. Durch Zufall habe ich einen Headhunter kennengelernt, der mich mit meinem Koch Sascha Jürgens zusammenbrachte. Wir verstanden uns sehr gut. Er hat die Idee gleich begriffen und ein paar Rezepturen entwickelt, bei denen ich echt umgefallen bin. Und dann haben wir angefangen zu arbeiten: alles mit der Hand, Etiketten ausgeschnitten, den Lachs gebraten, gelernt, den Reis so zu kochen, dass er nach drei Tagen noch nicht trocken ist.
Fiel es Ihnen schwer, von der Kopf- auf Handarbeit umzuschalten?
Das war total cool, sowas von schön und befriedigend …
Und auch nicht langweilig?
Nein. Einmal haben wir allerdings 600 oder 1.000 Stück mit der Hand gemacht. Das Problem ist, dass man beim Einpacken nie unter 30 Sekunden kommt. Das bedeutet fünf bis acht Stunden nur einpacken.
Wie haben Sie den Markteintritt geschafft?
Wir haben uns überlegt: Wo sind die wichtigsten und besten Läden in Hamburg, wo unsere Zielgruppe unterwegs sein wird? Sport ist das eine, Hafengastronomie, Bars das andere. Wir sind zu den besten Läden hingefahren und haben das da vorgestellt. Der bekannteste ist Tim Mälzer mit der Bullerei. Wir haben auch die Werbeagentur Jung von Matt beliefert und Google.
Ist Hamburg ein Starter-Markt?
Wir hätten es nicht woanders schaffen können. Davon bin ich überzeugt. Wobei wir es noch nicht geschafft haben …
Wie haben Sie das nötige Geld zusammenbekommen?
Du musst ein richtig gutes Projekt vorstellen. Mit Mälzer konnten wir eine gute Referenz vorweisen. Als wir unseren Business-Plan den Banken vorstellten, schmissen uns die ersten vier gleich wieder raus. Der beste Spruch von der einen Bank war: „Herr Schwenk, wir glauben an ihren Business-Plan, aber Sie lesen immer alles so genau. Ich glaube nicht, dass das zu uns passt.“ Dann sind wir bei der Hamburger Sparkasse gelandet.
Haben Sie staatliche Förderung in Anspruch genommen?
Das geht nur mit öffentlicher Förderung. Die Bank kann eine Förderung durch die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KFW) beantragen, und in Hamburg gibt es zusätzlich den großen Vorteil der Bürgschaftsgemeinschaft, die einen Teil der Haftung für den Kredit übernimmt. Das ist ein Konglomerat von Kaufleuten, die gute Konzepte fördern wollen.
Haben Sie sich beim Business-Plan beraten lassen?
Nein, ich war ja selber Berater.
Was ist der Unterschied, wenn man selbst der Unternehmer ist?
Es ist einfach besser. Ich kann selbst entscheiden und alles jederzeit ändern. Unsere Pasta zum Beispiel hat mich eine Kiste Astra gekostet. Ich habe gewettet, dass es nicht möglich sein wird, eine Nudel zu machen, die al dente bleibt, auch wenn sie zehn Tage lang im Regal steht. Der Inhaber einer kleinen Nudelmanufaktur aus Hamburg sagte: Ich kann das. Er hat die Nudel speziell für uns entwickelt und somit habe ich die Wette verloren.
Was war die größte Schwierigkeit, mit der Sie zu kämpfen hatten?
Es war nicht möglich, eine klare Finanzplanung zu machen, obwohl ich so viele Start-ups aufgebaut hatte. Die Maschine für unsere Wichys stammt aus Japan. Wir hatte die Deals mit unseren Kunden unter Dach und Fach und bestellten die Maschine für ein bestimmtes Datum. Die musste aber noch umgebaut und zertifiziert werden für den europäischen Markt, weil das die erste Maschine für Europa war. Das hat ein halbes Jahr gedauert. Dann stehst Du hier und kannst nicht produzieren und die Miete läuft weiter. Sowas kann man nicht planen. Ich bin der Bank wirklich dankbar, dass sie das mitgemacht hat. Auch die Investorensuche hat ihre Tücken. In der Woche, in der ein großer Investor hier einsteigen wollte, brach dem der größte Kunde weg. Von heut auf morgen fehlt ein Batzen Geld, mit dem man geplant hat. Das ist irre.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Ungerechtigkeit in Deutschland
Her mit dem schönen Leben!
Kompromiss oder Konfrontation?
Flexible Mehrheiten werden nötiger, das ist vielleicht gut
Eine Chauffeurin erzählt
„Du überholst mich nicht“
Niederlage für Baschar al-Assad
Zusammenbruch in Aleppo
Der Check
Verschärft Migration den Mangel an Fachkräften?
Kinderbetreuung in der DDR
„Alle haben funktioniert“