Lars Klingbeil im taz-lab-Gespräch : Raus aus den Fossilen!
Der Wandel durch Handel ist gescheitert. Wie macht die SPD in dieser Lage weiter?
Von Frederike Grund
taz lab, 30.04.2022 | Raus aus den fossilen, rein in die erneuerbaren Energien – für die Energieunabhängigkeit von Russland. So das Credo, dass in Anbetracht des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine von vielen Seiten gefordert wird.
Zur Debatte um den Klimawandel und hat sich nun also die Debatte um die Versorgungssicherheit gesellt. Ohne soziale Belastungen und Kompromisse, kann beides nicht von statten gehen kann. Das bemerkt auch der SPD-Bundesvorsitzende Lars Klingbeil, als er beim diesjährigen taz-lab über die Energiewende spricht. Im Gespräch mit Stefan Reinecke, taz-Korrespondent im Parlamentsbüro und Anna Lehmann, Leiterin des taz-Parlamentsbüros, findet er klare Worte.
Dass nicht alle mit denselben Belastungen und Kompromissen konfrontiert werden, ist naheliegend. „Alles was Russland tut, hat weltpolitische Auswirkungen.“, sagt er und bezieht sich dabei auf die Lebensmittelversorgung und Energiesicherheit. „Hätten wir vor zwei Monaten gedacht, dass Habeck nach Katar fliegt und Gasverträge abschließt? Nein. Ist es notwendig? Ja.“
Die SPD hat es „verpasst, rechtzeitig abzubiegen“
Klingbeil, der seinerzeit den Militärdienst verweigerte, änderte durch die Anschläge am 11. September seine Position zur Bundeswehr. „Dass wir die Stärkung der Bundeswehr wollen, steht außer Frage“, sagt er.
Das durch Kanzler Olaf Scholz beschlossene Sondervermögen für die Bundeswehr über 100 Milliarden Euro unterstützt er, übt aber Kritik an der eigenen Partei. Im Umgang mit Russland habe man „verpasst, rechtzeitig abzubiegen“.
„Wandel durch Handel“ ist gescheitert
Wo die Partei hätte abbiegen müssen? Vielleicht als sich Tiergartenmorde 2019 oder der Anschlag auf Nawalny im August 2020 stattfanden. „Wir haben nur noch über wirtschaftliche Beziehungen geredet.“, sagt Klingbeil.
„Wandel durch Handel“ ist für Klingbeil gescheitert, die wirtschafts-und russlandfreundliche Politik der SPD werde aufgearbeitet – „täglich“, wie er sagt.
Die Spritbreisbremse und der öffentliche Nahverkehr
Ob der ÖPNV nach Ablauf der dreimonatigen Vergünstigung weiterhin gesenkt bleibe, lässt Klingbeil offen. Die Verantwortlichkeit sieht er bei Verkehrsminister Volker Wissing (FDP). „Es gibt aber Menschen, die gerade ihr Leben in manchen Bereichen nicht ändern können“.
Klingbeil bezieht sich insbesondere auf ländliche Regionen, zieht Verbindungen zu seiner eigenen Herkunft. Es brauche neue Mobilitätskonzepte und einen „Schulterschluss“ zwischen Industrie, Politik und Gewerkschaften.
Kein Tempolimit ohne Koalitionsvertrag
Klingbeil nutzt Worte wie Chance, Potential, Ansporn und Aufbruch. Einschränkungen? Gibt es trotzdem: „Ein Tempolimit wird es in dieser Legislaturperiode nicht geben.“ Denn das stehe nicht im Koalitionsvertrag.
Dass das Sondervermögen ebenfalls nicht im Koalitionsvertrag gestanden hat, erwidert Anna Lehmann. Klingbeil widerspricht nicht, weist aber die Vergleichbarkeit nachdrücklich zurück. Er selbst habe „kein Problem mit einem Tempolimit.“