piwik no script img

Langsam weg vom Drogenstrich

■ Mit Methadon schaffen viele Prostituierte den Ausstieg / Projekt-Bilanz

Frauen, die auf den Drogenstrich gehen und dann Methadon erhalten, steigen meistens aus der Prostitution aus. Das ist eine der Erfahrungen des Vereins Bremer Hilfe zur Selbsthilfe nach zweijähriger Arbeit seines Projektes „Schritt für Schritt“: „Es gab in den zwei Jahren keine Frau, die es geschafft hat, clean zu werden und sich trotzdem prostituiert hätte“, blicken Wilma Warbel und Doris Kahlert, die Leiterinnen des Projektes, zurück.

Nachdem der Senat 1992 beschlossen hatte, den Drogenstrich an der Friesenstraße aufzulösen, mußte die Bremer Hilfe ihr Bus-Projekt, ein mobiles Beratungs- und Hilfsangebot, einstellen. Das anschließende Projekt „Schritt für Schritt“ mit 15 betreuten Wohnplätzen gilt nur für Frauen, die in Bremen leben und substituiert werden.

Daneben existiert für drogensüchtige (Ex-)Prostituierte, deren Zahl in Bremen auf etwa 50 geschätzt wird, noch ein zweites frauenspezifisches Projekt: Das „Newcastle“ in der Trägerschaft der Kommunalen Drogenpolitik/ Verein für akzeptierende Drogenarbeit verfügt über 10 Wohnplätze für substituierte Frauen. Das „Newcastle“ ist niedrigschwelliger angelegt, ein Beibehalten der Szenekontakte und die eventuelle Fortsetzung der Prostitution und der Beigebrauch etwa von Barbituraten, wird hier eher geduldet.

Anders bei „Schritt für Schritt“, das in der Szene als abstinenzorientierter gilt: Hier gibt es keine Drogen, nicht einmal Alkohol ist im Haus erlaubt. Die Bewerberinnen auf einen der 15 Wohnplätze in drei Wohngruppen müssen zuvor ins Methadonprogramm aufgenommen worden sein. Wie lange, steht nicht fest. Bei Bedarf helfen die fünf Mitarbeiterinnen des Projektes bei diesem ersten Schritt. In zwei Wohnhäusern in Walle und in der Neuststadt können sich die Bewohnerinnen dann mindestens sechs Monate lang auf ein normales Leben vorbereiten. In der Wohngruppe haben sie ein eigenes abschließbares Zimmer, müssen sich aber an Gruppengesprächen beteiligen. Die Sozialpädagoginnen unterstützen die Substituierten dabei, Papiere zu reorganisieren, Schulden zu regulieren, Schulabschlüsse nachzuholen, einen Arbeitsplatz und eine Wohnung zu finden.

Beinahe alle Frauen konnten nach einem halben Jahr in ein Arbeits- oder Beschäftigungsverhältnis integriert werden. Das sind meist vorübergehende Jobs oder BSHG-Stellen. Es besteht, bedauert Doris Kahlert, nach wie vor ein Mangel an Ausbildungs- und Arbeitsplätzen, die auf dieses Klientel zugeschnitten sind. „Leute auf Sozialhilfe festzunageln, heißt, sie in die Illegalität zu treiben.“

Groß ist auch der Mangel an Wohnungen. Daher wird, wer nach sechs Monaten noch keine eigene gefunden hat, nicht auf die Straße gesetzt. Selbst einmalige Verstöße gegen die Hausregeln werden nicht mit dem Rausschmiß geahndet. „Rückfälle“, so Doris Kahlert, „sind suchtimmanent“. Gerade in den ersten Wochen sei nicht davon auszugehen, daß die Bewohnerinnen, die als Süchtige so ziemlich alles genommen haben, was die Straßenszene bietet, schlagartig auf jede Droge verzichten und allein mit Methadon klarkommen, zumal sie sich dieses im Viertel abholen müssen. Wichtig sei der Wille zum Ausstieg, meint Wilma Warbel: „Wer dazu bereit ist, darf auch bleiben.“

Anders als beim „Newcastle“ gibt es im Projekt der Bremer Hilfe keine Warteschleife. Das liegt unter anderem am ambulanten Dienst, den das Projekt ebenfalls bietet: Zu etwa 30 Frauen außerhalb besteht lockerer, zu knapp 20 Frauen intensiver Kontakt, entweder als Nachbetreuung oder Vorbereitung zum Ausstieg aus dem Drogenmilieu. „Schritt für Schritt“ kann so ein selbständiges Leben erlernt und aufgebaut werden. Den Entzug vom Methadon schaffen nur wenige, doch für alle, sagt Wilma Warbel, gilt: „Das Bedürfnis der Frauen nach einem normalen Leben ist groß.“ dah

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen