Landwirtschaft macht Meere krank: Grüne gegen Blaualgen

Die Ostsee ist überdüngt durch Nährstoffe aus der Landwirtschaft. Algenteppiche führen zu „Todeszonen“ und Fischsterben.

Durch Nitrate und Phosphate gefüttert und dann gefährlich: Auch wenn er ziemlich grün aussieht, ist das ein Blaualgenteppich in der Ostsee. Foto: Stefan Sauer/dpa

HAMBURG taz | Schuld ist die Landwirtschaft: Die Ostsee ist überdüngt, aber auch in vielen Flüsse und Seen findet sich zu viel Nitrat und Phosphat. Das geht aus der Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Bundestags-Grünen hervor. „Es wird in der Landwirtschaft viel zu viel gedüngt“, sagt die Abgeordnete Valerie Wilms aus Pinneberg, „das belastet nicht nur die Ostsee, sondern auch das Trinkwasser.“

Von 45 Gewässerproben vor der deutschen Ostseeküste waren laut der Bundesregierung 30 in einem unbefriedigenden oder schlechten Zustand; zwölf vor Schleswig-Holstein genommen, 18 vor Mecklenburg-Vorpommern. Im Nordosten weisen demnach 18 Flüsse einen schlechten oder unbefriedigenden ökologischen Zustand auf, in Schleswig-Holstein zumindest die beiden größten Ostsee-Zuflüsse Trave – samt ihrem Nebenfluss Schwartau – sowie die Schwentine.

Beim Nitrat wie auch beim Phosphor werden Grenzwerte teilweise deutlich überschritten. Zudem weisen auch die meisten Grundwasserkörper – also ein räumlich eindeutig abgrenzbare Vorkommen – so hohe Nitratwerte auf, „dass dadurch der gute chemische Zustand verfehlt wird“, heißt es seitens der Bundesregierung. Es gebe aber „keine unmittelbaren Auswirkungen auf die Trinkwassergewinnung“.

Die parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen-Bundestagsfraktion, Steffi Lemke, fordert dennoch die Schließung von Mega-Viehställen. „Der Zustand der Ostsee ist besorgniserregend“, sagte sie am Freitag. Von dringendem Handlungsbedarf sprach auch Fraktionschef Anton Hofreiter: Die Gülleeinträge aus der Massentierhaltung und die Ausbringung von Kunstdünger müssten gestoppt werden.

Einen guten ökologischen Zustand aller Gewässer fordert die europäische Wasserrahmenrichtlinie (WRRL): Grundwasser und Oberflächengewässer sollen demnach frei sein von Schadstoffen und zu vielen Nährstoffen.

Ende April hat die EU-Kommission beim Europäischen Gerichtshof Klage eingereicht, weil in Deutschland die EG-Nitratrichtlinie nicht umgesetzt wird – und zu hohe Nährstoffeinträge in die Gewässer gelangen.

Bereits 2013 hatte die EU-Kommission ein Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet und Deutschland in mehreren Mahnschreiben zum Handeln aufgefordert. Die bisherigen Maßnahmen reichten zur Verringerung von Nitrat-Einträge aus der Landwirtschaft in die Gewässer nicht aus.

Die Ostsee mit ihrer schmalen Verbindung zur Nordsee gilt Meeresbiologen als „gefangenes Meer“ mit nur geringem Wasseraustausch. Hinein fließen Gewässer von neun Anrainerstaaten, die größten Einleiter von Nährstoffen sind Schweden und Polen. Diese Stoffe begünstigen das Wachstum von Algen, welche die Sauerstoffkonzentration im Wasser stark verringern und so zu Fischsterben führen können. Zudem produzieren sie Toxine, die beim Verzehr von Fisch oder auch Muscheln auch Menschen krank machen können – bis hin zu tödlichen Vergiftungen.

Weil zudem nur selten sauerstoffreicheres Nordseewasser in die OStsee gelangt, bilden sich dort immer größeren sauerstofffreie „Todeszonen“. Nach Angaben von Meeresforschungsinstituten gab es im Dezember 2014 den ersten großen Salzwassereinstrom in die Ostsee seit 2003 – den drittgrößten seit Beginn der Messdaten. Ein zweiter folgte im November 2015. Die positive Wirkung solcher Zuflüsse sei aber schon nahezu verpufft, heißt es.

„Die Ostsee braucht eine Erholungsphase“, sagt die Grünen-Abgeordnete Wilms. „Todeszonen“ dürften nicht „zur Normalität gehören“, Deutschland müsse endlich die Vorgaben der europäischen Wasserrahmenrichtlinie einhalten – „sonst ist ein guter Zustand des Meeres nicht zu erreichen“.

Ihr Parteifreund Robert Habeck, Schleswig-Holsteins Umwelt- und Landwirtschaftsminister, fordert deshalb vom Bund, das Ausbringen von Dünger auf den Feldern strenger zu regeln. Im Interesse des Gewässerschutzes und der Landwirte müsse eine Düngeverordnung „ohne Schlupflöcher“ her. So sollten gewässerschonende Maßnahmen beschleunigt und die Düngeperioden verkürzt werden. Außerdem müsse auf jedem Hof genau protokolliert werden, wie viele Nährstoffe anfallen und dort auch verwendet werden können.

Es müsse zügig gewährleistet werden, so Habeck weiter, „dass durch Düngung und Landbewirtschaftung keine weiteren Belastungen des Grundwassers, der Flüsse und Seen sowie der Meere entstehen“. Immerhin beziehe etwa Schleswig-Holstein sein Trinkwasser zu 100 Prozent aus dem Grundwasser. Und um das für künftige Generationen „schützen zu können, müssen wir die Nährstoffeinträge spürbar verringern“.

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