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Landesweite Streikbewegung in Südkorea

■ 120 Betriebe lahmgelegt, darunter die neun größten Minen des Landes / Der Ausstand reicht von den Minen bis zu den Werften / Öffentlicher Nahverkehr in Großstädten brach zusammen / Für höhere Löhne und freie Gewerkschaften / Polizei überfuhr Jungen bei Demo

Seoul(dpa/afp) - Sechs Wochen nach der Ankündigung demokratischer Reformen durch die Regierung in Seoul wird Südkorea von einer bislang beispiellosen Streikwelle überzogen. Nachdem bereits in der vergangenen Woche die Beschäftigten von zwei Großkonzernen, den Hyundai–Motorwerken und einigen Werften der Firma Daewoo, die Arbeit niederlegten, griffen die Ausstände am Montag auch auf kleinere und mittlere Unternehmen im Transportgewerbe und Bergbau über. Landesweit ruhte in rund 120 Betrieben die Arbeit, die neun größten Minen des Landes blieben geschlossen. In der Nähe des Bergbaugebietes Taebek besetzten rund 1000 Arbeiter vorübergehend die Schienen der örtlichen Eisenbahnlinie, 300 weitere Kumpels blockierten eine Überlandstraße nordwestlich von Seoul. In den Großstädten Kwangju und Chonju brach am Montag morgen der öffentliche Nahverkehr zusammen, nachdem die Busfahrer in einen unbefristeten Streik getreten waren. Die Forderungen der Streikenden konzentrieren sich auf höhere Löhne und die Zulassung freier Gewerkschaften. Seit 1980 hat sich die Produktivität pro Arbeitnehmer nahezu verdoppelt, das Arbeitnehmereinkommen stieg jedoch um weniger als 40 Prozent. Gelegentlich werden aber auch die gelben, von der Regierung kontrollierten Gewerkschaften direkt angegriffen. So wurde ein Gewerkschaftsfunktionär in der Stadt Togye von wütenden Kumpels verprügelt, nachdem diese das Hauptquartier der Bergwerksgesellschaft gestürmt und das Mobiliar zu Kleinholz verarbeitet hat ten. Bei den Hyundai Motorwerken wurde einer der Firmengründer von den Arbeitern so lange in Gewahrsam genommen, bis er versprach, sich für die Belange der Arbeiter einzusetzen, bei der Daewoo Werft wurde gar das gesamte Management über Stunden von den Arbeitern festgesetzt. Am Montag hielten sich rund 8.000 streikende Arbeiter samt Familien in den Verwaltungsgebäuden des Konzerns im Süden des Landes auf, bei Hyundai wurde dagegen die Arbeit gestern wieder aufgenommen. Die Polizei ging bei allen größeren Ausständen mit massivem Aufgebot gegen die Arbeiter vor. Bei Auseinandersetzungen auf der Daewoo–Werft standen 1.000 Polizisten rund 500 Werftarbeitern gegenüber, die den Eingang zur Werft blockiert hatten, rund 20 Arbeiter wurden zum Teil schwer verletzt. Bei einer Demonstration, die am Sonntag in der Stadt Chonju stattfand, wurde ein 13jähriger Junge von einem Polizeifahrzeug überfahren, als es zwischen Demonstranten und paramilitärischen Eingreiftruppen zu Auseinandersetzungen kam. Über 100 Menschen wurden ver Leiche des Jugendlichen aus dem krankenhaus zu entführen - eine gängige Methode, um weiteren Protesten vorzubeugen. Sie seien jedoch von einer Menschenkette daran gehindert worden.

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