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■ LandesschulamtBürokraten gegen Schüler

An der Wilmersdorfer Hildegard-Wegscheider-Oberschule gibt es Stunk: Vier Schülern, die an einer fünftägigen Gedenkstättenfahrt Ende April nach Auschwitz teilnehmen wollen, wird dies vom Landesschulamt verboten. „Aus pädagogischen Gründen“, argumentiert die Behörde und verweist auf die Vorbereitungen für die mündlichen Abiturprüfungen.

Schülersprecher Timo Wolff, der die Idee zu der Fahrt hatte, die er zu einer festen Institution an der Schule machen will, legte zusammen mit den anderen drei Schülern Widerspruch gegen die Entscheidung des Landesschulamtes ein.

Er begründete diesen Einspruch folgendermaßen: „Geschichtliches Interesse sollte nicht durch bürokratische Vorschriften unterdrückt werden. Bei einer Auschwitzfahrt handelt es sich um keine Vergnügungsreise, durch die man sich von seiner Anwesenheitspflicht befreien möchte, sondern um eine freiwillig aufgenommene Verpflichtung und Erfahrung.“

Auch der Leiter der Schule, Lutz Beutler, hält die Entscheidung des Landesschulamtes für falsch. „Die Auschwitzfahrt ist keine Kaffeefahrt“, so Beutler. Zumal sich die Schüler in einer schriftlichen Erklärung verpflichtet hätten, keine Nachteile bezüglich ihrer Vorbereitung auf die mündliche Abiturprüfung geltend zu machen.

Beutler, der eine Teilnahme der Abiturienten an der Fahrt „aus Überzeugung“ befürwortet hat, sind die Hände gebunden: „Ich kann sie nicht eigenmächtig beurlauben.“

Das Landesschulamt indes bleibt stur. Die Behörde lehnte den Widerspruch der Abiturienten ab und hält an der „pädagogisch angemessenen Entscheidung“ fest. „Unter Beachtung des inhaltlichen Zieles einer Auschwitzfahrt und des so oft beklagten mangelnden gesellschaftlichen und politischen Engagements meiner Generation halte ich diese Entscheidung für grundlegend falsch“, kommentiert Schülersprecher Wolff die Haltung des Landesschulamtes.

Die Mutter einer nicht betroffenen Schülerin wandte sich an Schulsenatorin Ingrid Stahmer (SPD). „Wie ernst sind feierliche Appelle der politisch Verantwortlichen zu Gedenktagen überhaupt noch zu nehmen“, fragt Sylvia Conradt, „wenn sie durch Verwaltungsmaßnahmen konterkariert werden, die junge Menschen staatliches Handeln als unangemessene, rational nicht nachvollziehbare Machtdemonstration erleben lassen.“

Schulsenatorin Stahmer(SPD) bezieht sich auf eine Ausführungsverordnung des LSA zu Klassenfahrten, die Schülern, die im 4. Kurshalbjahr zum Abi antreten wollen, jegliche Klassenfahrt verbietet. „Das Abitur hat Priorität“, so Pressesprecher Zügel. Diese Verordnung gilt nach seinen Angaben jedoch erst ab dem nächsten Schuljahr. Sie muß erst noch den Stadträten zur Besprechung vorgelegt werden. Barbara Bollwahn

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