Lafontaine ist nicht Marx : KOMMENTAR VON JENS KÖNIG
PDS und WASG drehen sich seit Monaten nur um sich selbst. Eine Trotzkistin namens Lucy Redler wird dabei so wichtig genommen, als sei sie die Chefin der großen Koalition und Angela Merkel nur eine Tippse im Kanzleramt. Was soll da jetzt ein linkes Manifest, das Lafontaine und Gysi gestern der Öffentlichkeit präsentierten? Die Linkspartei retten, die es noch nicht gibt?
Die Frage ist nahe liegend, aber nicht richtig. Die neue Linkspartei muss nicht gerettet werden – sie wird so oder so kommen, ungeachtet aller politischen Scharmützel. Für ihre Wähler existiert sie bereits, sie sitzt im Bundestag, und der Frust über eine SPD, die den sozialen Verlierern nichts mehr zu sagen hat, setzt vorerst noch mehr Kräfte frei als die Lust vieler Linker am schier endlosen ideologischen Palaver. Welche Antworten gibt die Linkspartei den Frustrierten am Rand dieser Gesellschaft? Wie verhandelt sie die unterschiedlichen Interessen der sozial Schwachen und der Mittelschicht im Kampf um Geld und Gerechtigkeit? Was hat sie in der Auseinandersetzung mit dem Terrorismus außer dem Völkerrecht noch anzubieten? Welche intellektuelle Anziehungskraft kann sie über ihr biederes Kernmilieu hinaus entwickeln? Diese Fragen werden über das Schicksal der Linken entscheiden.
Das Manifest versucht erst Antworten darauf zu geben. Dabei setzt Lafontaine, von dessen Geist das Dokument getragen ist, nicht zufällig auf eine Namensähnlichkeit mit einer berühmten Schrift eines gewissen Herrn Marx aus dem Jahre 1848. Das Linke hat mit dem Kommunistischen Manifest jedoch nichts gemein – außer den Hang zum sprachlichen Furor. Was damals noch Charme hatte, wirkt heute überdreht: Lafontaine spricht vom „Raubtierkapitalismus“. Diese Kraftmeierei kann nicht verdecken, dass sein Papier neben einigen interessanten Gedanken (keine Privatisierung öffentlicher Daseinsvorsorge, repressionsfreie soziale Grundsicherung) vor allem Absichtserklärungen aus der Rubrik „klingt schön“ enthält. Und wenn behauptet wird, dass Linke nur ihren demokratischen Parteibeschlüssen und Wahlversprechen verpflichtet sind, dann klingt das nicht mal nach Marx – sondern nach Stalins neuem Menschen.
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