Längeres Rückkehrrecht: Strohhalm für Zwangsverheiratete
NRW-Frauenminister Armin Laschet will zwangsverheirateten Frauen und Männern mehr Zeit geben, um in die Bundesrepublik zurückzukehren.
KÖLN taz | Die nordrhein-westfälische Landesregierung setzt sich für ein besseres Rückkehrrecht für Opfer von Zwangsverheiratungen ein. Eine entsprechende Initiative kündigte NRW-Frauenminister Armin Laschet (CDU) für die am Donnerstag auf Schloss Krickenbeck im Nettetal beginnende Konferenz der Gleichstellungs- und Frauenminister der Länder (GFMK) an. Er will erreichen, dass im Ausland Zwangsverheirateten länger als bisher die Möglichkeit eingeräumt wird, in die Bundesrepublik zurückzukommen.
Nach den Vorstellungen Laschets soll die Ministerrunde in dieser Frage Druck auf die Bundesregierung ausüben. Bislang erlischt das Rückkehrrecht für Nicht-Deutsche, die sich im Ausland aufhalten, nach einem halben Jahr. Für Laschet, derzeit Vorsitzender der GFMK, ist das für eine viel zu kurze Spanne. Denn in vielen Fällen gelinge es den Betroffenen erst nach längerer Zeit, sich aus der ungewollten Ehe zu befreien. Deshalb müsste Zwangsheiratsopfer auch nach Ablauf dieser Frist "aus dringenden humanitären Gründen" die Möglichkeit eingeräumt werden, wieder Zuflucht in Deutschland zu suchen.
Voraussetzung für eine Wiederkehr sei allerdings, dass die Betroffenen zuvor einen geregelten Aufenthaltsstatus hatten. Kein Kriterium solle jedoch mehr sein, dass sie ihren Lebensunterhalt selbst bestreiten können oder die Familie für sie aufkommt. Wie Laschet betonte, soll die neue Regelung ausdrücklich auch für Männer gelten. Denn nicht nur Frauen würden Opfer des "Zwangsheiratstourismus".
Allerdings plädiert der CDU-Politiker nicht für ein unbegrenztes Rückkehrrecht. Zwar fehlt in seinem Antrag an die GFMK eine neue Fristsetzung. Um Missbrauch zu vermeiden, hält Laschet gleichwohl weiterhin eine zeitliche Beschränkung für sinnvoll. Denkbar hält er eine Ausdehnung der Rückkehrfrist auf etwa drei Jahre, wie dies auch "Terre des femmes" fordert.
Die Menschenrechtsorganisation für Frauen und Mädchen begrüßte den Vorstoß aus NRW. "Oft rufen bei uns Frauen an, die seit vielen Jahren im Herkunftsland ihrer Eltern festgehalten werden und verzweifelt auf eine Möglichkeit zur Flucht warten", sagte "Terre des femmes"-Bundesgeschäftsführerin Christa Stolle. "Diese Frauen sind entsetzt, wenn wir ihnen mitteilen müssen, dass sie nicht mehr in Deutschland leben können."
Fundierte bundesweite Zahlen über Zwangsverheiratungen liegen bislang nicht vor. In Nordrhein-Westfalen erheben jedoch Frauenhilfeeinrichtungen seit zwei Jahren Fallzahlen. Danach haben 196 akut von Zwangsverheiratung bedrohte Frauen im Jahr 2007 Zuflucht in einem der 62 Frauenhäuser des Landes gefunden.
NRW unterstützt auch einen Gesetzentwurf des Bundesrats, Zwangsverheiratungen nicht mehr nur als schwere Nötigung zu verfolgen, sondern als eigenen Straftatbestand einzuführen. Die Beratung werde aber vom Bundestag und der Bundesjustizministerin blockiert, kritisierte Laschet.
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