Länderspiele dünnen Fußballclubs aus: Was vom Kader übrig blieb
Spitzenteams wie der FC Barcelona oder Bayern München verlieren in Länderspielphasen fast das gesamte Personal. Der Weltverband Fifa kann die Vereinsbosse nur vertrösten.
BARCELONA taz Die Torhüter haben sich für dieses Training einen Platz an der Sonne gesucht. Sie haben das Tor an die Eckfahne verschoben. So kommen sie heraus aus dem Schatten, nicht aus dem sprichwörtlichen, in dem ein Torwart beim stürmischen FC Barcelona immer steht, aber doch aus dem natürlichen, der an diesem Wintermorgen noch über weiten Teilen des Fußballrasens liegt. In die Quere kommt Victor Valdés und Albert Jorquera beim Torwarttraining auf dem Außenstürmerterrain niemand. Es sind auch an diesem Tag dreißig Journalisten, zehn Ordner und vier Trainer da - aber nur vier Spieler.
Für anderthalb Wochen ist der große FC Barcelona derzeit wieder einmal das kleinste Fußballteam der Welt. Die Spiele der Nationalmannschaften berauben Barça fast seines gesamten Aufgebots; 19 Auswahlspieler aller Länder vereint der Champions-League-Gewinner von 2006. Barça ist der extremste Fall. Doch auch bei anderen Spitzenklubs wie Bayern München oder Inter Mailand bleibt heutzutage fast niemand mehr zu Hause, wenn die Nation zum Länderspiel ruft. Und da den Nationalteams von August bis November jeden Monat eine Periode von elf Tagen reserviert ist, fehlt Klubs wie Barça quasi die komplette Hinrunde hindurch für ein Drittel der Trainingszeit die gesamte Mannschaft. "Ein Wahnsinn", sagte Bayerns Präsident Franz Beckenbauer, "ein Unsinn" Bayerns Trainer Ottmar Hitzfeld; "eine Realität", sagt Barças Trainer Frank Rijkaard. Man kann davon ausgehen, dass er damit dasselbe wie Hitzfeld und Beckenbauer meint.
Diese Woche etwa erhält Rijkaard seine Spieler nach elf Tagen im Laufe des Donnerstags zurück. Am Samstag spielen sie schon wieder - gegen Huelva, ein Team ohne einen Nationalspieler, das in der Wettkampfpause besonders intensiv trainieren konnte. Ist es da noch Zufall, dass Barça von den bisherigen drei Saisonspielen unmittelbar nach den Unterbrechungen keines gewann? Zweimal spielten sie 0:0 und einmal verloren sie in Villarreal. Zu jener Partie nahm Rijkaard seinen Stürmer Ronaldinho gar nicht erst mit; mehr als für den Gegner wäre es eine Gefahr für den eigenen Körper gewesen, den Weltfußballer des Jahres 2005 aufzustellen. Er war erst 48 Stunden zuvor mit dem obligatorischen Jetlag aus Brasilien zurückgekommen.
Ist das Wettbewerbsverzerrung oder ein ungewollter Sozialausgleich für ärmere Klubs? Gibt es wirklich keinen sinnvolleren Spielplan?
Vergangene Woche tagte der Weltverband Fifa in Zürich zu dem Thema, Franz Beckenbauer war dabei, die Verbandschefs Brasiliens, Argentiniens; auch Barças Präsident Joan Laporta kam hinzu und polterte los. Entweder man berücksichtige mehr die Sorgen der Klubs, sagte er, "oder es könnte eine Situation entstehen, in der die Klubs die Führung übernehmen und die internationalen Verbände einige Macht verlieren". Doch Laportas größte Forderung war dann: Geld. Die Nationalteams müssten mit den Spielern für die elf Tage endlich auch deren Bezahlung übernehmen. Es ist die älteste Klage, seit es Vereine gibt. Und auch wenn Laporta behauptet, ein Durchbruch stehe nun in dieser Frage bevor, so berührt es nicht das wahre Problem: den Terminplan. Ab Herbst 2008 soll das zweite Länderspiel im Zeitfenster der Nationalteams jeweils dienstags statt mittwochs stattfinden, das war noch der konstruktivste Vorschlag. Er geht nun ans Fifa-Exekutivkomitee. Es ist ein Almosen: Einen Tag würden die Vereinstrainer gewinnen.
Auf dem Trainingsgelände in Barcelona schießt unterdessen Juan-José Brau auf das Tor. Das ist einer der Fitnesstrainer. Die zwei Torhüter sowie Oleguer Presas und der brasilianische Weltmeister Edmílson bilden die ganze Elf. Nicht einmal der Trainer erscheint zum Training. Frank Rijkaard überlässt es Valdés und Jorquera, dem Torwarttrainer, Edmílson und Oleguer bestreiten nach Verletzungen nur ihre Rehabilitationstherapie. Eine Schulklasse kommt vorbei, drängelt am Zaun und braucht einen langen, stillen Moment, um zu überlegen, wem sie ihre Zuneigung zuschreien soll - bei der spärlichen Auswahl. Die Wahl fällt auf Valdés.
Die Absurdität ließe sich zumindest eindämmen, wenn die Termine der Nationalteams gestrafft würden. Bei der Qualifikation zur EM oder WM ließe sich eine Vorausscheidung einführen und Freundschaftsspiele der Nationalteams, diese Hochgesänge der Langweile, könnten endlich beerdigt werden. Aber es wird dazu nicht kommen. Denn die nationalen Fußballverbände verdienen mit diesen Partien Geld, und Vernunft endet im Fußball immer vor dem Bankkonto. Die Vereine sollten deshalb auch nicht zu laut klagen. Sonst fällt noch ihre eigene Heuchelei auf. Während sich Präsident Laporta bei der Fifa erzürnte, die Spieler müssten für ihre Nationalteams bis ans Ende der Welt reisen und die Vereine, die sie bezahlten, hätten kaum noch wen im Training, gab sein FC Barcelona Rafael Márquez eine Woche frei. Damit er nach Mexiko fliegen und dort für ein Parfüm Werbung machen konnte.
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